Charmant geschrieben

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timphilipp Avatar

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Ich liebe die Romane österreichischer Autoren. Hierin reiht sich nun der neueste Roman von Vea Kaiser ein. Die Geschichte spielt in einem Wienerischen Traditionshotel und die Romanfiguren reden herrlich Wienerisch. Wer wie ich dieser Sprache nicht so mächtig ist, findet Hilfe im „Wienerisch-Wörterbuch“ am Ende (das allerdings noch um manche Vokabel ergänzungsbedürftig wäre). Die Protagonistin ist sympathisch dargestellt trotz ihrer kriminellen Ader. Vielleicht empfindet man das so angesichts ihres Werdegangs. Sie ist das Bankert einer Hausmeisterin, in einfachen Verhältnissen aufgewachsen, hat es aus eigener Kraft bis zur Buchhalterin in besagtem Hotel geschafft. Es ist wohl gerade ihrer Herkunft geschuldet, dass sie den Drang verspürt, zur besseren Wiener Gesellschaft gehören und sich etwas Luxus leisten zu wollen. Jedenfalls überweist sie jahrzehntelang fiktive Rechnungen von mehr als 3 Millionen Euro vom Hotel auf ihr Konto, oftmals auch um in Not geratenen Personen aus ihrem Umfeld zu helfen. Da es das perfekte Verbrechen nicht gibt, fliegt sie eines Tages auf und findet sich im Gefängnis wieder.
Obwohl das Buch mit seinen 556 Seiten sehr umfangreich ist, liest es sich rasend schnell. Meinen bis etwa zum Ende des zweiten Drittels durchweg positiven Eindruck von der Geschichte revidierte ich allerdings dann, als der Sohn der Protagonistin das junge Erwachsenenalter erreichte und vom Nichtsnutz urplötzlich zum feschen Opernballbesucher mutierte, später sogar zum erfolgreichen Finanzjongleur. Ab hier rückte die Geschichte für mich in die Nähe eines Groschenromans. Es ging fortan zu viel um Luxus und Liebesbeziehungen. Vieles davon wirkte auch einfach zu klischeehaft. Eine Einkürzung des Werkes wäre vielleicht positiv gewesen.
Insgesamt aber ist das Buch lesenswert.