Fabulöser Wiener Schmäh!

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Vea Kaiser ist die Königin der Fabulierkunst mit perfektem Wiener Schmäh!
Ihr neuer Roman beruht auf Tatsachen - allerdings nicht so, wie sie es in den Zwischenkapiteln schildert. Das Hotel Frohner ist in Wahrheit das Imperial und die Geschichte mit der Buchhalterin, die Millionen veruntreut hat, ist im Sacher passiert. Ist aber egal - die Geschichte ist stimmig.
Man lebt und leidet mit der Heldin Angelika, die sich - aus kleinsten Verhältnissen kommend - zur Abteilungsleiterin im Grand Hotel Frohner hinaufgearbeitet hat.
Man begleitet sie durch ihre Jugendjahre, als sie mit wilden Typen bis in die Morgenstunden in Wiens legendärem Club U4 abhing und dann direkt ins Hotel fuhr (was haben wir das in dieser Zeit nicht alle erlebt!), man erlebt mit ihr die Schrecken und Freuden von Schwangerschaft und Leben mit Kind, die Verzweiflung über die dement werdende Mutter, die Angst, ihre Wohnung zu verlieren und so weiter.
Trotzdem: zum Betrug kam sie nicht von selber: Der Hoteldirektor bittet sie, wegen möglicher Rückforderungen von Erben der ehemaligen jüdischen Besitzer und Verkaufsplänen, die Bilanzen zu bearbeiten, damit das Hotel schlechter dasteht, als es ist. Ihre Gratifikation dafür soll sie ebenfalls buchhalterisch verstecken... Damit ist die Schranke geöffnet und Angelika rutscht immer tiefer in "ich borg mir das nur aus".
Jahrzehnte später kommt es aus vollkommen unerwarteten Gründen zur Entdeckung und so kann die Autorin in ihren Zwischenkapiteln die Täterin in der Strafvollzugsanstalt besuchen...
Was für ein Bravourstück ist dieser Roman wieder geworden - die Geschichte so zügig, die Sprache- inklusive des Wienerischen - großartig! Ich hab es erwartet, weil alle Bücher von Vea Kaiser so unglaublich intelligente Unterhaltung sind, aber jetzt muss ich vermutlich wieder ein paar Jahre auf ihr nächstes Buch warten. Traurig!