Wunderbar wienerisch – Von Grant bis Grand Hotel

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jori1020 Avatar

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Mit Fabula Rasa beweist Vea Kaiser einmal mehr, dass sie zu den großen Autor*innen der österreichischen Gegenwartsliteratur gehört. Ihr neuer Roman vereint all das, was ihre Bücher auszeichnet: eine klare, lebendige Sprache, durchzogen vom feinen Wiener Schmäh, viel Lokalkolorit und eine Handlung, die einen sofort in ihren Bann zieht. Zugleich gelingt es ihr, auch ernstere Themen wie Drogenmissbrauch oder Altersdemenz mit einer bemerkenswerten Mischung aus Leichtigkeit und Tiefgang zu erzählen.

Im Zentrum steht Angelika Moser, Tochter einer Hausbesorgerin aus dem Wiener Gemeindebau. Ehrgeizig arbeitet sie sich in der Verwaltung des Grand Hotels Frohner nach oben, jongliert zwischen Arbeit, Kind und der Pflege ihrer Mutter und entdeckt dabei, wie einfach es scheint, mit gefälschten Rechnungen etwas Geld beiseitezuschaffen. Was als kleine Notlösung beginnt, wird zur Routine; aus kleinen Beträgen werden große Summen, und bei jeder neuen Rechnung fragt man sich: Wie lange geht das noch gut?

Trotz ihrer 550 Seiten liest sich die Geschichte leicht und fesselnd. Kaiser schreibt mit Empathie und einem scharfen Blick für Zwischentöne. Sie bringt uns Angelika und ihre schillernden Nebenfiguren so nah, dass man sie fast persönlich zu kennen glaubt. Besonders stark sind die Passagen über Mutterschaft – ehrlich, ungeschönt, körperlich direkt.

Am Ende bleibt die Frage: Was fühlen wir für Angelika Moser? Mitleid, Verständnis, vielleicht sogar Bewunderung? Fabula Rasa gibt darauf keine einfache Antwort. Genau das macht diesen Roman so lesenswert.