Eher deprimierend

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Als ich den Klappentext las, stellte ich mir lustige, dramatische, traurige und wunderschöne Alltagsszenen von vier Freundinnen in Paris vor. Ein wenig wünschte ich mir Desperate Housewives in Buchform und in Frankreich, deswegen begann ich mit hohen Erwartungen zu lesen. Diese konnten die fast perfekten Heldinnen leider nicht ganz erfüllen.

Ich möchte damit beginnen, jede der vier Freundinnen einmal vorzustellen. Mathilde ist ein Arbeitstier in einem Kosmetikkonzern und probiert ihre Powerpoint-Präsentationen mit ihren beiden kleinen Söhnen unter einen Hut zu kriegen. Ihr Mann Max ist ihr dabei keine große Hilfe, obwohl er wegen seiner Arbeitslosigkeit genug Zeit hätte, ihr in Sachen Haushalt und Kindererziehung unter die Arme zu greifen.

Alice ist von Adrien geschieden. Die gemeinsame Tochter Laura (15) pendelt zwischen den beiden Parteien hin und her. Während Zahnarzt Adrien sich neu verliebt hat, stürzt Alice sich lieber in ihre Karriere als Köchin in einem aufstrebenden Pariser Restaurant. Dass ihr Chef Fred in sie verliebt ist, merkt sie lange Zeit nicht.

Lucie und Christophe führen eine Bilderbuch-Ehe. Sie sind reich, schön und haben drei perfekte Töchter. Wirft man jedoch einen Blick hinter die Fassade, entdeckt man Lucies krankhafte Eifersucht und ihren Hang dazu, alles, was die Kinder betrifft, an Haushälterin Winnie zu delegieren.

Die vierte im Bunde ist Éva, welche mit Vincent verheiratet ist. Die beiden wünschen sich nichts sehnlicher als ein Kind. Dieser Wunsch lässt sich aktuell leider nicht in die Tat umsetzen und so müssen die beiden darum kämpfen, dass ihre Ehe nicht daran zerbricht.

Dazu kommen dann noch Familienfreunde und Arbeitskollegen. Ich habe mir tatsächlich eine grafische Übersicht über die Personen und ihre Beziehungen erstellt, habe sie erstaunlicherweise aber nur am Anfang gebraucht. Danach war ich so in der Geschichte drin, dass ich mich mühelos an die Namen und Konstellationen erinnern konnte und mich selbst wie eine Freundin der vier Frauen gefühlt habe. Sie haben alle ihre Stärken und Schwächen, doch sie erschienen mir menschlich und haben mir alle außerordentlich gut gefallen. Mit den Männern hingegen war ich nicht ganz einverstanden, einige gingen mir tierisch auf die Nerven. Das hat noch mehr dazu beigetragen, dass ich mit Mathilde, Alice, Lucie und Éva gefiebert habe. Am liebsten hätte ich mich selbst mit ihnen getroffen und diskutiert.

Liest man sich die Charakterbeschreibung durch, fällt sofort extrem viel Potenzial für Affären, Intrigen, Aussprachen und vor allem für freundschaftlichen Zusammenhalt auf. Leider kam mir genau der letzte Punkt ein bisschen zu kurz. Nur auf den ersten und letzten Seiten kommen wirklich alle Freundinnen zusammen und beraten und trösten sich gegenseitig in dem Maß, in dem ich es mir im gesamten Buch gewünscht hätte. In meinen Augen gehen besonders Mathilde und Éva durch die Hölle und wenn sie ihre Freundinnen anrufen und sich ausheulen wollen, kommt meist nur ein "Du, ich bin grad so im Stress mit den Kindern und dem Job, ich ruf dich zurück!". Das fand ich extrem schade, denn ich hatte gehofft, dass sich wenigstens die Freundinnen aufeinander verlassen können.

So war das Buch leider insgesamt sehr deprimierend, denn vor allem die Punkte "Affären" und "Intrigen" wurden fast schon klischeeartig erfüllt. Jede der Frauen hat Krisen zu bewältigen. Einige davon haben mich als Leser richtig mitgerissen und ich war ebenfalls kurz davor meinen Verstand zu verlieren. Mathildes Schicksal ging mir wirklich sehr nahe. Auch die anderen Frauen sind immer nur gestresst, sei es mit Kindern, Job oder Mann. Ich bin jetzt Mitte zwanzig und starte gerade erst so richtig in das "erwachsene" Leben, aber nach dem Lesen dieses Buches habe ich gar keine richtige Lust mehr darauf. Kinder nerven nur, Männer betrügen ständig und als Frau hat man im Job sowieso keine guten Chancen. Das ist leider bei mir hängen geblieben, auch wenn die Autorin auf den letzten Metern des Buches noch einmal probiert hat, ein paar Baustellen zu reparieren. Gut gelungen ist das leider nicht und das hat mich insgesamt sehr am Buch enttäuscht. Klar gibt es im Leben immer Höhen und auch Tiefen, doch dieses Buch hat gerade die Tiefen beleuchtet und eine richtig starke Freundschaft, mit der man auch diese Tiefen überstehen kann, wurde in meinen Augen nicht dargestellt.

Fazit:
Insgesamt ernüchternd. Die vier Frauen haben mir allesamt sehr gut gefallen. Jede ist auf ihre Art interessant und stark. Mich haben gar nicht so sehr die etwas klischeehaften Probleme der Frauen gestört, denn auf die war ich vorbereitet. Allerdings hatte ich damit gerechnet, dass diese Probleme auch zufriedenstellend gelöst werden und dass die Freundinnen dabei eng zusammenhalten und sich gegenseitig helfen. Mehr als ein oberflächlicher Kaffeeklatsch kam zwischen den Damen in meinen Augen jedoch nicht zustande. Genau darum bot das Buch auch einen eher deprimierenden Einblick in das Leben einer erwachsenen Frau, was mich enttäuscht hat.

Den zweiten Teil, der aus Sicht der Männer geschrieben ist ("Männer von fast perfekten Heldinnen"), werde ich wohl eher nicht lesen. Bis auf Christophe und Fred konnte ich keinen (Ex-)Mann der Damen leiden und die ganzen traurigen Ereignisse nochmal durchkauen möchte ich auch nicht.