Hatte etwas anderes erwartet

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Als "bildgewaltig" wird das Buch beworben und ich würde noch das Adjektiv "sprachgewaltig" dazusetzen. Leider war es aber genau das, was das Lese-Erlebnis für mich gewaltig gedämpft hat. Abgesehen davon, dass schon der Name des Protagonisten quasi selbst im Kopf unaussprechlich war (was den Lesefluss doch unterbrochen hat), fand ich die ganze Handlung sehr zäh. Die ständigen Beschreibungen von der Verbindung zwischen Drdjuck und der Leitkuh waren teilweise auch sehr verwunderlich. Bis zum Ende des ersten Drittels etwa wird auch gar nicht geredet, alles ist reiner innerer Monolog, aber leider so komplex geschrieben, dass ich eher das Gefühl hatte, ein Buch zu lesen, das großen Wert darauf legt, dass ein Leser anfängt, viel hineinzuinterpretieren. Ein gefundenes Fressen für Menschen, die Pflichtlektüren für Schulen aussuchen, die dann leider (sage ich aus eigener Erfahrung) schlecht ankommen werden. Ich wollte dem Buch aber eine Chance geben und habe tatsächlich versucht, zu verstehen, was diese Verbindung zwischen Drdjuck und der Kuh symbolisieren soll. Für mich war die Interpretation, dass er eben nur sie hat als Bezugsperson und sich deswegen diese Verbindung so ergibt, wie ich sagen würde, dass ich meinen Hund und seine Körpersprache mittlerweile blind verstehe - soweit also alles akzeptabel!

Als Drdjuck dann auf die Truppe Jungs (und einiger Mädchen) trifft, war alles nur noch verwirrender. Doch auch hier wollte ich dem Buch weiter eine Chance geben. Doch mir ist es bis zum Ende des Buches immer noch nicht klar geworden, wie so eine Gruppendynamik entstehen konnte, was es mit der seltsamen Namensgebung des Anführers der Truppe auf sich hat und was das eigentliche Ziel der Gruppe war (das des Anführers wird klar, aber warum die sich so blind auf ihn verlassen, nicht wirklich).

Als weitere Elemente in der Handlung dazu kamen (die ich hier nicht nennen kann, da sie doch etwas spoilern würden), die für mich einfach unrealistisch waren und nicht zur vorhergegangen Handlung gepasst haben und dann auch noch plötzlich magische (?) Elemente hinzukamen ("Er rief den Sturm"), war ich leider endlos verwirrt. -> Ich weiß immer noch nicht, ob ich Drdjuck nun als einfach sehr auf das Leben in der Wildnis eingestellten Jugendlichen sehen soll oder ob er wirklich einen Einfluss darauf hat, was passiert? Auch die Rolle des Kälbchens, die dann im letzten Kapitel ja nochmal ganz anders dargestellt wird, als der Leser es bisher wahrgenommen hat, hat sich mir einfach nicht erschlossen.

Leider war ich am Ende einfach enttäuscht von dem Buch. Interpretieren kann man da bestimmt viel, aber ich hatte eine Geschichte erwartet, die logisch ist und dafür musste ich zu oft im Lesen anhalten und denken "Was passiert hier gerade?", "Wie kann das sein?" ohne dass sich all das für mich je aufgeklärt hat.

Ich lese, dass andere dieses Buch mit 5 Sternen bewerten, also muss es wohl die passende Leserschaft finden - ich war das leider nicht.