Authentische, emotional mitreißende Nachkriegsgeschichte aus dem Leben eines jungen Mädchens – ein absoluter Pageturner!

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
kleinervampir Avatar

Von

Buchinhalt:

In den 1950er Jahren: Nach er Rückkehr des Vaters aus russischer Kriegsgefangenschaft leben die Geschwister Helga und Jürgen wieder bei ihm in Köln. Die Mutter ist seit Kriegsende verschwunden, niemand weiß etwas von ihrem Verbleib und die Kinder können sich an nichts erinnern. Helga, inzwischen 14 oder 15 Jahre alt, wünscht sich nichts sehnlicher, als aufs Gymnasium zu gehen und Schriftstellerin zu werden – doch sie wird statt dessen auf eine Haushaltungsschule geschickt. Bei einem Praktikum im Waisenhaus lernt sie die kleine Bärbel kennen. Das Mischlingskind, das einen dunkelhäutigen Vater hat, wird schwer misshandelt, und Helga ist bestrebt, das Mädchen unter allen Umstände da heraus zu holen....


Persönlicher Eindruck:

Autorin Bernsteins neuer Roman baut locker auf den Ereignissen und Personen ihres anderen Buches „Trümmermädchen“ auf und spielt in der unmittelbaren Nachkriegszeit. Inhaltlich ist es jedoch nicht zwingend erforderlich, „Trümmermädchen“ zu kennen, der Roman kann gut auch solo gelesen werden.

Wir schreiben die 1950er Jahre. Der Krieg ist seit fast 10 Jahren zu Ende, das Rheinland steht unter britischer Besatzung. Noch immer herrschen Armut und Zukunftsängste, auch für Helga und Jürgen, die einst als Findelkinder nach Frankreich kamen und nun ihren aus Gefangenschaft heimgekehrten Vater wiedergefunden haben.

Schon nach wenigen Seiten wird man als Leser tief hinein gesogen in die wirklich sehr authentische Nachkriegs- und Familiengeschichte. Der Figurenkreis ist groß aber dennoch überschaubar, die Figuren haben allesamt Profil und Tiefe. Da sind die beiden Geschwister, der Vater, der einen Zeitungskiosk führt, die junge, ledige Fanny, die eine Milchbar eröffnet und Meta, die gestrenge und reichlich unverschämte Tante, nach deren Pfeife alle tanzen sollen. Und zwei Jungen, zwischen denen Helga sich alsbald in einem Liebesdreieck wiederfindet: der sympathische Konradin aus Ostpreußen und der Draufgänger Peter, der täglich in Fannys Milchbar abhängt.

Mir hat der Roman wirklich gut gefallen: das Leben der Deutschen in der Nachkriegszeit wird authentisch beschrieben, der Alltag und die großen und kleinen Nöte und Probleme sind nachvollziehbar und stimmig. Sehr bewegt haben mich die beschriebenen Zustände in besagtem Kinderheim, in dem die kleine Bärbel „einsitzt“ - nur, weil ihre Mutter sie ledig geboren hat. Das wirkliche Problem ist Bärbels dunkelhäutiger Einschlag, von den Nonnen des Heims wird sie als aufsässig und dumm beschrieben, obwohl sie ein helles Köpfchen ist und einem als Leser schnell ans Herz wächst.

Was Helga im Laufe des Romans alles widerfährt und wie das Leben ihr mitspielt, ist ergreifend und erschütternd. Im Laufe der Handlung tun sich mehrere Schicksale vor dem Leser auf und gerade im letzten Viertel reißt der Roman den Leser von einem Aha-Effekt in den nächsten.

Ohne zu viel verraten zu wollen, ist Findelmädchen ein packendes Zeitzeugnis, auch wenn die Handlung fiktiv ist – so oder so ähnlich ist es passiert, damals, nach dem Krieg. Es ist eine Geschichte aus dem Leben gegriffen, die einen emotional mitreißt und zusammen mit der Hauptfigur Höhen und Tiefen hautnah erleben lässt.

Am Ende wird auch nochmal der Bogen geschlagen zu einigen Ereignissen aus Trümmermädchen, so dass ich mir gut vorstellen könnte, dass irgendwann noch ein dritter Band folgt, der ebenso locker mit den beiden anderen zusammenhängt. Jedenfalls ist noch lang nicht alles erzählt – ich hätte gerne noch so viel weiter gelesen.

Eine absolut verdiente Leseempfehlung und ein absoluter Pageturner, von der ersten bis zur letzten Seite!