Herzzereißend schön

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mandel61118 Avatar

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Das Cover mit dem jungen Mädchen und dem Kind, die im typischen Stil der 50er Jahre gekleidet sind, finde ich sehr schön und nostalgisch. Schön ist auch die Kulisse Kölns im Hintergrund.
In dem Buch von Lilly Bernstein geht es um die 15jährige Helga, die als Kind mit ihrem Bruder Jürgen in den Trümmern aufgefunden und zu Pflegeeltern nach Frankreich gebracht wurde. Wie durch ein Wunder gelangen sie doch noch zu ihrem leiblichen Vater, der erst 1955 aus russischer Kriegsgefangenschaft heimkehrt. Sie beginnen ein neues Leben in Köln. Zwar wünscht Helga sich nichts sehnlicher, als ein Gymnasium zu besuchen, doch hält ihr Vater so gar nichts von diesem Plan und schickt sie auf die Haushaltsschule. Im Rahmen eines Praktikums im Waisenhaus stellt sie fest, wie brutal Kinder dort behandelt werden...

Das Buch ist wunderschön und sehr fesselnd geschrieben, man möchte es keine Minute aus der Hand legen. Gefühlvoll und mitreißend wird Helgas Schicksal beschrieben, von den Wirren des Krieges und der Not in dem Bunker, in dem Helgas Mutter mit den beiden Kindern und ihrer Schwester Meta untergekrochen ist, bis hin zu den 50er Jahren, als die Gesellschaft ganz langsam ein ganz kleines bisschen offener wird. Trotzdem ist es aus heutiger Sicht schockierend zu lesen, welche Vorurteile damals noch herrschten und wie Menschen, die nicht ins Raster passten, ausgegrenzt wurden. So z.B. die kleine Bärbel im Waisenhaus, die ihrer leiblichen Mutter weggenommen wurde, eben weil sie unverheiratet und noch dazu eine Prostituierte war. Auch Helga muss sich in Acht nehmen, um als junges Mädchen keinen schlechten Ruf zu erwerben, deshalb sieht es der Vater nicht gern, wenn sie die Milchbar ihrer Freundin Fanny aufsucht.
Sehr eindrucksvoll und beängstigend ist auch das Schicksal des jungen Flüchtlings Konradin und seiner Großmutter beschrieben, die auf dem Dachboden von Helgas Familie wohnen. Die Not, die die beiden durchmachen, ist unbeschreiblich.
Trotz aller traurigen Aspekte ist das Findelmädchen ein Buch voller Hoffnung und Zuversicht. Helga reift an ihren Erfahrungen und entwickelt immer mehr Mut, für ihre Überzeugungen einzustehen und gegen das Unrecht, das sie selbst erfährt, und unter dem auch andere leiden, zu kämpfen.
Die Autorin hat hervorragend recherchiert und dem Roman durch ihre ganz eigene Sprache etwas sehr Besonderes verliehen.
Ein großartiger Roman, der einen sehr berührt!