Man muß es wirken lassen

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
tigerbea Avatar

Von

Helga und ihr Bruder Jürgen kommen im Jahr 1955 aus Frankreich zurück nach Köln zu ihrem Vater. Die Mutter ist seit dem Ende des Krieges verschwunden. Der Vater gibt seinen Kindern ein Zuhause, aber er will mit ihnen nicht über die Vergangenheit sprechen. Jürgen findet sofort Arbeit, aber Helga möchte sehr gerne auf ein Gymnasium gehen. Stattdessen meldet ihr Vater sie auf einer Haushaltsschule an. Als sie ein Praktikum im Waisenhaus machen muß, ist sie entsetzt. Die Kinder werden dort mißhandelt und gequält. Besonders die kleine Bärbel hat es schwer, denn sie ist ein "Besatzerkind". Helga versucht das Mädchen zu beschützen und geht dabei auch ungewöhnliche Wege.

Selten hat mir eine Geschichte so aufs Gemüt geschlagen wie "Findelmädchen" von Lilly Bernstein. Das Leid der Kinder in einem "christlichen" Waisenhaus ist unvorstellbar. Wie können Menschen sich auf Gott berufen und dann den Kindern so etwas antun? Lilly Bernstein hat in ihrem Roman einen unaufgeregten, aber sehr zu Herzen gehenden Ton getroffen. Nicht nur das Leid der Waisenkinder, auch das harte Leben der Menschen nach dem Krieg hat sie einfühlsam beschrieben, ebenso wie die Rechtlosigkeit der Frauen. Man fühlt beim Lesen mit den Menschen und kann sich doch heute kaum noch vorstellen, wie es war, Hunger zu haben und in Ruinen zu wohnen. Man spürt aber auch den Aufbruch in eine neue Zeit. Die Menschen sind bereit, aus den Trümmern Neues aufzubauen und arbeiten hart dafür.
Dieses Buch gibt seinen Lesern einen neuen Blick auf viele Probleme unserer Zeit. Man sollte es auf sich wirken lassen.