Finstere Orte - Überzeugend ausgeleuchtet

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r.e.r. Avatar

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Ein einziger schicksalhafter Tag. Eine verhängnisvolle Verkettung unglücklicher Umstände und Missverständnisse. “Welleneffekte” nennt es Gillian Flynn in ihrem Thriller “Finstere Orte”. Von dieser nahezu perfekten Welle lässt man sich fasziniert mitreißen.

 

Libby Day ist pleite. Ihre Mutter und ihre beiden Schwestern wurden getötet als sie sieben Jahre alt war. Hingerichtet als satanisches Opfer. Als einzige Überlebende des Blutbades, brachte ihre Zeugenaussage den eigenen Bruder als fanatischen Täter hinter Gitter. Ein Vierteljahrhundert später ist der Hilfsfond mitleidiger Spender aufgebraucht und Libby muss sich nach einer neuen Geldquelle umsehen. Gerade zu rechten Zeit erhält Sie ein lukratives Angebot einer Gruppe von Hobby Kriminologen, die Zweifel an der Schuld Ihres Bruder haben. Libby soll das damalige Verbrechen noch einmal untersuchen. Die finanzielle Notlage gibt den Ausschlag. Gegen Ihre innere Überzeugung begibt sich Libby auf die Reise zu Ihren “Dark Places”.

 

Gillian Flynn erzählt in “Finstere Orte” eine fesselnde Geschichte. Obwohl Ihr Buch zur Genregattung Thriller gezählt wird, geht Sie nicht reißerisch und sensationslüstern auf Leserfang. Aus drei Perspektiven lässt Sie uns am Leben einer zerstörten Familie teilnehmen. Libby berichtet als Ich-Erzählerin aus dem Heute. 25 Jahre nach den schrecklichen Erlebnissen, scheint Sie noch immer in ihrer eigenen, ganz persönlichen Hölle gefangen zu sein. Als “fieses Organ” bezeichnet Sie sich selber. Agressiv und wütend tritt Sie ihrer Umwelt entgegen. Flynns Protagonistin ist eine Antiheldin. Man mag sie nicht, findet sie zunehmend unsympathisch. Entwickelt dennoch eine trotzige Zuneigung. Irgendwo in Ihrem finsteren Inneren muss es schließlich ein Fenster zum Licht geben.

 

Der schicksalhafte Tag selber wird abwechselnd aus der Perspektive der Mutter Patty und des Bruders Ben geschildert. Fast minutiös blättert Flynn den verhängnisvollen Tag für uns auf. Den Tag an dem bei “den Days alles schiefging, was schief gehen konnte.” In reichhaltigen Bildern zeichnet Sie einen detailgenauen Hintergrund. Atemlos folgt man einer Spur von schrecklicher Zwangsläufigkeit. Die verarmte Familie lebt auf einer heruntergekommenen, völlig verschuldeten Farm. Die Mutter, vom trinkenden Ehemann sitzengelassen, ist mit der Erziehung der 4 Kinder überfordert. Der Sohn Ben bereitet zusätzliche Sorgen. Mitten in einer pubertären Selbstfindungsphase umgibt er sich mit den falschen Freunden und begeht, aus irregeleiteter Loyalität, den Fehler seines Lebens.

 

Gillian Flynn erzeugt Spannung nicht nur im Hinblick auf Ihr Grande Finale. Natürlich will man unbedingt wissen, was in der kalten Januarnacht des Jahres 1985 wirklich passiert ist. Und in dieser Hinsicht wird man auch nicht enttäuscht. Viel lohnender jedoch ist Ihr Weg dorthin. Sie nimmt uns mit auf eine Reise ins Amerika der 1980er Jahre. Die Beschreibung der Mode, der Musik, der politischen Gegebenheiten und der Lebensumstände sind es, die dem Buch Farbe und Leben geben. Farbe und Leben für Ihre überzeugend ausgeleuchteten “Finsteren Orte”.