Vor manchen Dingen kann man nicht weglaufen

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inyanmni Avatar

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Der Debütroman „Fliegende Hunde“ folgt in abwechselnden Handlungssträngen den Freundinnen Oksana und Lena, die in benachbarten Wohnungen aufgewachsen sind und bis zu ihrem 16. Lebensjahr so gut wie alles geteilt haben. In den letzten Monaten kam es zwischen den beiden immer häufiger zu intimen Berührungen, die über reine Freundschaft hinausgehen. Die Furcht davor, wie sich das weiter entwickeln könnte, war ein Grund, warum Lena ihre kleine russische Stadt vor kurzem verlassen hat, um in China als Model zu arbeiten.

„Sie hatte sich daran gewöhnt, ständig angefasst zu werden wie eine Türklinke.“ (Lena, S. 60)

Das Modelleben ist aber bei weitem nicht so glamourös, wie Lena sich das ausgemalt hat: Das Apartment ist eine Zumutung, die Atmosphäre bei den Castings und Shootings mehr als unwürdig, und Oksana zu vergessen, was eigentlich der Plan war, funktioniert auch nicht wirklich. Die einzige Möglichkeit, sich zu verbessern, besteht darin, Fotografen, Kunden oder Agenten gewisse Freiheiten zu gewähren…

„Manchmal, wenn sie nach Sankt Petersburg fuhr und der Bus eine scharfe Kurve nahm, lehnte sie sich mit Absicht zu stark gegen benachbarte Fahrgäste, nur um einen anderen Körper an ihrem zu spüren.“ (Oksana, S. 44)

Oksana daheim in Russland leidet währenddessen nicht unter zu viel, sondern unter zu wenig menschlicher Berührung. In ihrer Einsamkeit lässt sie sich auf ein obskures Internetforum ein, in dem die User Rezepte aus der Leningrader Blockadezeit austauschen, um drastische Gewichtsabnahmen herbeizuführen. Als Lena schließlich für drei Wochen nach Hause kommt, prallen die Lügengebäude der vergangenen Monate aufeinander.

Der Wechsel der Perspektiven hat mir sehr gut gefallen, die Lebenswelten der beiden Mädchen fand ich gut nachvollziehbar, auch wenn sie meiner eigenen sehr fremd sind. Ich fand es spannend, zu erleben, was wohl passieren würde, wenn sich Oksana und Lena wiedersehen. Auch das Cover passt sehr gut zur Thematik, da sich die beiden immer überlegen, wie vorbeilaufende Hunde wohl als Flugwesen aussehen würden.