Aufstieg und Fall zweier außergewöhnlicher Menschen

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
igirl Avatar

Von

Das Abschiednehmen, das Ankommen, das Reisen und eine besondere Frau – über das Bild des Buchcovers werden wir Lesende bereits an die Geschichte herangeführt. Und dennoch, ist es eine graue, neblige Zeit: die Zeit vor Beginn des zweiten Weltkriegs. Jean, Anfang 40, jüdisch, gezeichnet durch die Auswirkungen einer Kinderlähmung, begleitet die glamouröse Eugenia, erfolgreiche Geschäftsfrau und Mäzenin bekannter Kunst- und Kulturschaffender, auf der Schiffsreise nach Patagonien. Seine Aufgabe: die Gesamteinrichtung eines neuen Grandhotels, auf der familieneigenen Insel Eugenias, umzusetzen. Jean verfügt über die besondere Gabe mit Materialien zu experimentieren und diese ungewöhnlich einzusetzen. Zusammen mit seinem besonderen Blick für Farben entwickelt er daraus den Stil der Leere und steigt in Paris schnell zu einem gefragten Innenarchitekten auf. Eugenias erstklassige Kontakte zu Künstlern, Intellektuellen und Geschäftsleuten öffnet ihm Türen in die internationalen Häuser. Während der Schiffsreise nach Patagonien schreibt Jean seine Memoiren, so erfahren die Lesenden seine Vergangenheit mit der schweren Kindheit, die Anfänge mit Eugenia und den gesellschaftlichen Aufstieg. Doch wer oben ist kann auch tief fallen. Der zunehmende Einfluss der Nazis spielt in Jeans Leben eine zunehmend bedrohliche Rolle.

Die Geschichte führt uns Lesende in das 'who is who' der Society und des Show Biz: Cole Porter, Guerlain, Hermes, Giacometti, Berard, Poulenc, Picasso, Thomas & Klaus Mann, Dali, Rockefeller, Roosevelt, Walt Disney, Greta Garbo und weitere berühmte Personen der Vergangenheit werden teils Kunden Jeans, teils flüchtige Bekanntschaften auf Empfängen, aber auch enge Freunde. So lernt Jean auch Thaddäus Lovett, seine große Liebe kennen.

Der Sprachstil des Romans ist bemerkenswert bildhaft, nahegehend und gefühlvoll. Farben, Einrichtungsgegenstände, Landschaften und Personen werden dadurch unmittelbar sichtbar. Die Verletzbarkeit Jeans, seine innere Zerrissenheit, seine Ängste, aber auch seine Stärke und Hinwendung zu Eugenie sind hervorragend geschildert. Die Summ- und Knurrgeräusche, aber auch das Schweigen Eugenies genügen Jean, um deren Stimmung und Meinung zu entschlüsseln. Jedoch duldet die Erzählung keine Unaufmerksamkeit. Die Dialoge enthalten Vermutungen oder Verweise auf Vergangenes. Auch die vielen Personen und Protagonisten der Geschichte, die zur Gesamthandlung beitragen, bedürfen immer wieder ein Zurückblättern, um den Zusammenhang wieder herzustellen. Man muss also genau lesen, um keine, für die spätere Handlung, wichtige Information zu verpassen.
Sehr gut gefallen haben mir die Fotos Eugenies und Jeans im Inneren des Buchdeckels – hier wird der starke Charakter der beiden Protagonisten sichtbar.

Fazit: Das Buch hat mich tief beeindruckt – ein wahrhaft literarisches Werk. Bereits nach wenigen Seiten war ich Teil der Geschichte, um mit Jean am Schreibtisch zu sitzen, mit zu feiern, mit zu leiden, mit zu kämpfen.