Interessant und langatmig

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wörterkatze Avatar

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Meinung:


Jana Revedin entführt uns mit “Flucht nach Patagonien”in drei Teilen in die Zeit von 1937. Es ist die Zeit des Nationalsozialismus in Europa und die bekannte Kunst-Mäzenin Eugenia Errázuriz, der es vor den Nationalsozialisten graut, versucht den jungen jüdischen Innenarchitekten Jean-Michel Frank nach Patagonien in Sicherheit zu bringen.


Der erste Teil erzählt von der Überfahrt nach Patagonien mit dem Postschiff und erzählt hauptsächlich von Franks Leben vor 1937. Wie er Errázuriz kennengelernt hat, wie sie ihn und andere gefördert hat. Dieser Teil hat mir sehr gut gefallen, zeigt er doch die Verletzlichkeit von Jean-Michel Frank, der ein Onkel von Anne Frank ist, und gibt wunderschön, die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg in Paris wieder. Außerdem werden viele berühmte Persönlichkeiten vorgestellt, denn Errázuriz fördert sie fast alle: Coco Chanel, Blaise Pascal oder Pablo Picasso. Jean-Michel Frank reiht sich dort ein und er wird ein bedeutender Innenarchitekt. So schön wie die Sprache ist, so langatmig ist auch der erste Teil. Bis ins Kleinste wird seine Profession beschrieben. Zugegeben, viele mag es interessieren, aber mich hat es stellenweise gelangweilt. Da hilft auch nicht das Namedropping oder die melodische Sprache, die auf der einen Seite so gut die Stimmung der Zeit wieder gibt und auf der anderen Seite so distanziert ist, dass einem die Charaktere einfach nicht nahekommen. Für mich ein Manko.


Der zweite Teil, auf dem ich mich nach dem schleppenden ersten Teil so gefreut hat, da das Schiff endlich in Buenos Aires und Patagonien angekommen ist, hat mich enttäuscht. Wieder unheimlich viel Namedropping, wieder viel Architektur. Alles sicher interessant, aber nicht das, was ich mir vorgestellt habe. Ich hätte mir mehr Zeitgeschehen, mehr Historie gewünscht, wie die Leute denken, über den drohenden Krieg und nicht ein Name nach dem anderen. Das hat mir eindeutig gefehlt und leider wurde es auch im letzten Teil nicht besser.


Der letzte Teil erzählt von Jean-Michel Franks Leben nach 1937. Dieser Teil hätte ich sehr interessant gefunden, so war ja eine herausragende Persönlichkeit mit seinem Minimalismus in der Innenarchitektur und seiner Fluchthilfe für Juden im dritten Reich, aber er war viel zu knapp. Leider kam mir dieser Teil wie ein Bericht vor, als ob man schnell fertig werden wollte und es wurde auch nicht mit Namedropping gespart. Dabei wird hier der Stil wieder besser, er stellenweise wieder melancholisch und ich spürte die bedrückende Stimmung, die die Nationalsozialisten und der Krieg mit sich bringen. Aber es war mir zu wenig, um mich zu überzeugen.

Gerade das Namedropping hat mich gestört. Nichts dagegen, dass die Namen erwähnt werden, wenn sie zur Handlung etwas beitragen, aber viele wurden einfach nur genannt, ohne dass sie für Frank oder Errázuriz im Laufe der Handlung von Belang gewesen wären, oder etwas für den Fortgang der Geschichte wichtiges beigetragen hätten.


Ein Plus ist der Epilog, der mir zeigte, was aus den einzelnen Namen geworden ist und auch die Literaturliste am Ende des Buches ist interessant.


Ein Highlight ist das Cover, was eine Frau an der Reling zeigt. Es schlicht gehalten und hat mich auch direkt angesprochen und macht auch Lust auf das Buch, da ich glaubte, einen spannenden Roman vorzufinden. Stattdessen bekam ich einen gut recherchierten Roman über die berühmten lebenden Personen der Zeit, einiges an Kunstverständnis und eine Handlung, die zwar stellenweise schön erzählt war, aber mich nicht überzeugen konnte.


Fazit


“Flucht nach Patagonien” von Jana Revedin ist ein ruhiger, melancholischer und stellenweise langatmiger Roman für Kunst- und Architekturinteressierte, aber nichts für jemanden, der sich für historische Begebenheiten aus der Zeit der 30er und 40er Jahre des 20. Jahrhunderts interessiert.