Enttäuschend langweilig, langatmig und unplausibel
"Flusslinien", das neue Buch von Katharina Hagena, hätte ich so gerne gemocht. So ansprechend waren das schöne Cover mit der Flusslandschaft und die Kurzbeschreibung. Ich habe mich auf ein witziges, lebenskluges und unterhaltsames Buch gefreut, doch wurden meine Erwartungen nicht erfüllt. Damit ich ein Buch mit nur zwei Sternen beurteile, muss schon einiges zusammenkommen, denn ich bemühe mich immer, Bücher so großzügig wie möglich zu betrachten und zu beurteilen. Deshalb werde ich nun genau darauf eingehen, in welchen Bereichen mich dieses Buch enttäuscht hat.
Was schätze ich am Lesen?
1) Eine interessante, glaubwürdige Geschichte:
Hier haben wir die 102-jährige Margrit, die in einer noblen Seniorenresidenz in Hamburg lebt. Ihre 18-jährige Enkelin Luzie, die aufgrund des Traumas eines Vergewaltigung bei einem Auslandsaufenthalt in Australien (wo ihr Vater lebt) die Schule abgebrochen hat und Tätowiererin werden will. Arthur, in seinen 20ern, der seinen Zwillingsbruder Theo verloren hat, als Taucher gearbeitet hat und außerdem Kunstsprachen erfindet und verkauft, aber nebenbei in der Seniorenresidenz als Fahrer jobbt. Abwechselnd erleben wir die Geschichte aus den Perspektiven dieser drei Personen mit. Das wusste ich schon aus der Kurzbeschreibung und das hätte eine nette Geschichte werden können. Leider passiert aber sehr wenig und das Buch ist voll von irrelevanten, ausgiebig erzählten, langweiligen Szenen, die für mich nirgendwo hingeführt haben. Dieses fast vierhundert Seiten lange Buch reiht Szene an Szene an Szenen, ohne wirklichen Spannungsaufbau oder Höhepunkt.
2) Gut gezeichnete, glaubwürdige Figuren, die tiefgründig und authentisch dargestellt sind und eine interessante Entwicklung aufweisen:
Wir lernen die oben erwähnten Figuren kennen und dann noch einige weitere in ihrem Umfeld, z.B. Mutter und Vater von Luzie (sind getrennt) Arthurs Zwillingsbruder Theo, oder Gregor, einen Mitbewohner Margrits in der Seniorenresidenz. Sowohl die drei Hauptfiguren als auch alle Nebenfiguren blieben für mich aber sehr blass charakterisiert. Nach der Lektüre des Buches könnte ich kaum jemanden von ihnen abseits von sehr plumpen Stereotypen (Luzie ist verletzt und rebellisch aufgrund des Traumas, Margrit ist weise und gütig,....) charakterlich tiefgehender beschreiben. Ich habe nicht das Gefühl, dass die Figuren eine sonderliche Entwicklung durchgemacht hätten und sie bleiben für mich sehr blass. Auch habe ich mich während der Lektüre den meisten von ihnen innerlich nicht nahe gefühlt, was mir normalerweise bei gut geschriebenen Büchern sehr schnell gelingt, selbst bei unsympathischen Figuren, wenn diese authentisch gezeichnet sind.
3) Eine besondere, schöne und einprägsame Sprache:
Insgesamt zeichnet sich dieses Buch dadurch auch nicht sonderlich aus. Gelegentlich gibt es schöne und einprägsame Sätze insbesondere in den Margrit-Kapiteln, die ja als weise dargestellt werden soll, so z.B. auf S. 44: "Nun, da die Schatten länger und die Risse tiefer werden, muss sie noch einmal ihre letzten Bilder einordnen." In diesem Bereich schneidet das Buch also für mich weder bemerkenswert noch besonders schlecht ab.
4) Ausgiebige Recherche, sodass man beim Lesen auch etwas über die beschriebenen Themen lernt oder diese zumindest nicht komplett unglaubwürdig wirken:
Das ist ein weiterer Punkt, der mich in diesem Buch sehr enttäuscht hat. Plakativ werden so gut wie alle Zeitgeistthemen (Coronazeit, Ukrainekrieg, Klimawandel, Fridays for Future,...) oberflächlich genannt und eingebaut, ohne sie aber tiefer mit dem Buch zu verbinden. Das wirkt auf mich, als ob die Autorin regelrecht eine Liste all dieser Themen abgearbeitet hätte. Ich mag durchaus Romane mit aktuellem Bezug, aber hier wäre es mir lieber gewesen, die Autorin hätte sich auf wenige dieser Themen beschränkt, diese aber authentischer und tiefgehender in das Buch eingebaut. Überhaupt empfinde ich das Buch über weite Strecken als sehr oberflächlich: immer wieder kamen durchaus interessante Themen auf, z.B. zur Umweltproblematik, die mit der immer weiter betriebenen industriellen Elbvertiefung für die Schifffahrt verbunden ist, aber diese wurden meistens nur kurz gestreift, bis das nächste von gefühlt hunderten Themen kurz angeschnitten wurde. Manches war auch schlicht extrem klischeehaft beschrieben, z.B. reist Arthur nach Belarus, wo sich eine Gruppe für eine seiner Kunstsprachen interessiert, diese Gruppe hat die Kunstsprache in kürzester Zeit nahezu perfekt gelernt, hält darin komplexe faschistische Vorträge und Arthur flieht angeekelt und reist mit dem nächsten Flieger um 4000 Euro zurück nach Deutschland, wobei er die gesamten Ersparnisse von sich und noch welche von seinem Bruder aufbraucht. Hier hatte ich nicht das Gefühl, dass sich die Autorin mit Belarus, mit Kunstsprachen oder mit sonst etwas näher auseinandergesetzt hat. Auch das Tätowieren alter Menschen in der Seniorenresidenz wirkte auf mich nicht sehr glaubwürdig und authentisch geschildert. Damit hat mich das Buch auch in dieser Hinsicht sehr unzufrieden zurückgelassen.
5) Gut unterhalten zu werden:
Wenn ein Buch schon nicht sonderlich glaubwürdig ist, literarisch kein hohes Niveau aufweist, keine besondere Figurenentwicklung hat und ich auch nicht wirklich was dabei lernen kann, dann wäre es schön, wenn es wenigstens so spannend oder witzig geschrieben wäre, dass ich mich dabei gut unterhalten würde. Ich nehme zur Kenntnis, dass die Autorin versucht hat, humorvoll und weise rüberzukommen, aber, wie gesagt, über weite Strecken hat mich das Buch mangels wirklich interessanter Handlung sehr gelangweilt.
6) Interessante historische Bezüge:
Was mich wirklich gewundert hat, war das Nachwort. In diesem gibt die Autorin an, dass sie speziell über die Gestalterin des Römischen Gartens in Hamburg, Else Hoffa, schreiben habe wollen, da sie festgestellt habe, dass einiges, was über diese zu finden sei, korrigiert und ergänzt werden könnte. Ja, zu Else Hoffa gibt es immer wieder Exkurse, speziell in den Erinnerungen der alten Margrit, denn Else Hoffa wird fiktiv als lesbische Partnerin von deren Mutter Johanne dargestellt. Allerdings haben diese Elemente für mich als Fremdkörper im Roman gewirkt, nicht wirklich mit dem Rest der Geschichte verbunden, und ich wäre allein aufgrund der Lektüre nie draufgekommen, dass das ein zentrales Element des Buches sein sollte, dazu war es als Thema viel zu wenig präsent.
Fazit: Ich nehme der Autorin nicht ab, über sehr alte Menschen, Kunstsprachen oder sonstige der im Buch behandelten Themen wirklich tiefgründig recherchiert zu haben. Die Geschichte an sich war für mich langatmig und langweilig erzählt, die Figurencharakterisierung blass, kaum Charakterentwicklung da und das Leseerleben unbefriedigend und langweilig. Schade. 2 Sterne für die Bemühung, eine humorvolle, berührende Geschichte zu schreiben, und für stellenweise gute Ansätze dazu. Keine Leseempfehlung.
Was schätze ich am Lesen?
1) Eine interessante, glaubwürdige Geschichte:
Hier haben wir die 102-jährige Margrit, die in einer noblen Seniorenresidenz in Hamburg lebt. Ihre 18-jährige Enkelin Luzie, die aufgrund des Traumas eines Vergewaltigung bei einem Auslandsaufenthalt in Australien (wo ihr Vater lebt) die Schule abgebrochen hat und Tätowiererin werden will. Arthur, in seinen 20ern, der seinen Zwillingsbruder Theo verloren hat, als Taucher gearbeitet hat und außerdem Kunstsprachen erfindet und verkauft, aber nebenbei in der Seniorenresidenz als Fahrer jobbt. Abwechselnd erleben wir die Geschichte aus den Perspektiven dieser drei Personen mit. Das wusste ich schon aus der Kurzbeschreibung und das hätte eine nette Geschichte werden können. Leider passiert aber sehr wenig und das Buch ist voll von irrelevanten, ausgiebig erzählten, langweiligen Szenen, die für mich nirgendwo hingeführt haben. Dieses fast vierhundert Seiten lange Buch reiht Szene an Szene an Szenen, ohne wirklichen Spannungsaufbau oder Höhepunkt.
2) Gut gezeichnete, glaubwürdige Figuren, die tiefgründig und authentisch dargestellt sind und eine interessante Entwicklung aufweisen:
Wir lernen die oben erwähnten Figuren kennen und dann noch einige weitere in ihrem Umfeld, z.B. Mutter und Vater von Luzie (sind getrennt) Arthurs Zwillingsbruder Theo, oder Gregor, einen Mitbewohner Margrits in der Seniorenresidenz. Sowohl die drei Hauptfiguren als auch alle Nebenfiguren blieben für mich aber sehr blass charakterisiert. Nach der Lektüre des Buches könnte ich kaum jemanden von ihnen abseits von sehr plumpen Stereotypen (Luzie ist verletzt und rebellisch aufgrund des Traumas, Margrit ist weise und gütig,....) charakterlich tiefgehender beschreiben. Ich habe nicht das Gefühl, dass die Figuren eine sonderliche Entwicklung durchgemacht hätten und sie bleiben für mich sehr blass. Auch habe ich mich während der Lektüre den meisten von ihnen innerlich nicht nahe gefühlt, was mir normalerweise bei gut geschriebenen Büchern sehr schnell gelingt, selbst bei unsympathischen Figuren, wenn diese authentisch gezeichnet sind.
3) Eine besondere, schöne und einprägsame Sprache:
Insgesamt zeichnet sich dieses Buch dadurch auch nicht sonderlich aus. Gelegentlich gibt es schöne und einprägsame Sätze insbesondere in den Margrit-Kapiteln, die ja als weise dargestellt werden soll, so z.B. auf S. 44: "Nun, da die Schatten länger und die Risse tiefer werden, muss sie noch einmal ihre letzten Bilder einordnen." In diesem Bereich schneidet das Buch also für mich weder bemerkenswert noch besonders schlecht ab.
4) Ausgiebige Recherche, sodass man beim Lesen auch etwas über die beschriebenen Themen lernt oder diese zumindest nicht komplett unglaubwürdig wirken:
Das ist ein weiterer Punkt, der mich in diesem Buch sehr enttäuscht hat. Plakativ werden so gut wie alle Zeitgeistthemen (Coronazeit, Ukrainekrieg, Klimawandel, Fridays for Future,...) oberflächlich genannt und eingebaut, ohne sie aber tiefer mit dem Buch zu verbinden. Das wirkt auf mich, als ob die Autorin regelrecht eine Liste all dieser Themen abgearbeitet hätte. Ich mag durchaus Romane mit aktuellem Bezug, aber hier wäre es mir lieber gewesen, die Autorin hätte sich auf wenige dieser Themen beschränkt, diese aber authentischer und tiefgehender in das Buch eingebaut. Überhaupt empfinde ich das Buch über weite Strecken als sehr oberflächlich: immer wieder kamen durchaus interessante Themen auf, z.B. zur Umweltproblematik, die mit der immer weiter betriebenen industriellen Elbvertiefung für die Schifffahrt verbunden ist, aber diese wurden meistens nur kurz gestreift, bis das nächste von gefühlt hunderten Themen kurz angeschnitten wurde. Manches war auch schlicht extrem klischeehaft beschrieben, z.B. reist Arthur nach Belarus, wo sich eine Gruppe für eine seiner Kunstsprachen interessiert, diese Gruppe hat die Kunstsprache in kürzester Zeit nahezu perfekt gelernt, hält darin komplexe faschistische Vorträge und Arthur flieht angeekelt und reist mit dem nächsten Flieger um 4000 Euro zurück nach Deutschland, wobei er die gesamten Ersparnisse von sich und noch welche von seinem Bruder aufbraucht. Hier hatte ich nicht das Gefühl, dass sich die Autorin mit Belarus, mit Kunstsprachen oder mit sonst etwas näher auseinandergesetzt hat. Auch das Tätowieren alter Menschen in der Seniorenresidenz wirkte auf mich nicht sehr glaubwürdig und authentisch geschildert. Damit hat mich das Buch auch in dieser Hinsicht sehr unzufrieden zurückgelassen.
5) Gut unterhalten zu werden:
Wenn ein Buch schon nicht sonderlich glaubwürdig ist, literarisch kein hohes Niveau aufweist, keine besondere Figurenentwicklung hat und ich auch nicht wirklich was dabei lernen kann, dann wäre es schön, wenn es wenigstens so spannend oder witzig geschrieben wäre, dass ich mich dabei gut unterhalten würde. Ich nehme zur Kenntnis, dass die Autorin versucht hat, humorvoll und weise rüberzukommen, aber, wie gesagt, über weite Strecken hat mich das Buch mangels wirklich interessanter Handlung sehr gelangweilt.
6) Interessante historische Bezüge:
Was mich wirklich gewundert hat, war das Nachwort. In diesem gibt die Autorin an, dass sie speziell über die Gestalterin des Römischen Gartens in Hamburg, Else Hoffa, schreiben habe wollen, da sie festgestellt habe, dass einiges, was über diese zu finden sei, korrigiert und ergänzt werden könnte. Ja, zu Else Hoffa gibt es immer wieder Exkurse, speziell in den Erinnerungen der alten Margrit, denn Else Hoffa wird fiktiv als lesbische Partnerin von deren Mutter Johanne dargestellt. Allerdings haben diese Elemente für mich als Fremdkörper im Roman gewirkt, nicht wirklich mit dem Rest der Geschichte verbunden, und ich wäre allein aufgrund der Lektüre nie draufgekommen, dass das ein zentrales Element des Buches sein sollte, dazu war es als Thema viel zu wenig präsent.
Fazit: Ich nehme der Autorin nicht ab, über sehr alte Menschen, Kunstsprachen oder sonstige der im Buch behandelten Themen wirklich tiefgründig recherchiert zu haben. Die Geschichte an sich war für mich langatmig und langweilig erzählt, die Figurencharakterisierung blass, kaum Charakterentwicklung da und das Leseerleben unbefriedigend und langweilig. Schade. 2 Sterne für die Bemühung, eine humorvolle, berührende Geschichte zu schreiben, und für stellenweise gute Ansätze dazu. Keine Leseempfehlung.