Feinsinnig, humorig und zum nochmal lesen
Flusslinien von Katharina Hagena ist ein Buch zum nochmals lesen. Es ist feinsinnig, voller Weisheit und die anmutige Sprache, die unterbrochen wird von Wortwitz und einer philosophischen Betrachtung von Sprache selbst, hat mich nachhaltig beeindruckt. Eines meiner Lieblingsworte aus dem Buch ist Geheimweh (S. 281, „…, Heimweh nach dem Kösterberg zu haben, geschweige denn zu zeigen. Es war ihr eigenes Geheimweh.“). Ein perfektes Beispiel für die treffsicheren Wortspiele der Autorin, die manchmal augenzwinkernd daher kommen, doch fast immer tiefgründiger sind.
Die Geschichte selbst ist wie das Cover, melancholisch und etwas bedrückend, aber doch hoffnungsvoll und mit wunderschönen Details. Und so ist es vielleicht, wenn man wie Margrit - eine der drei Hauptfiguren in Hagenas Roman - auf über hundert Jahre eines Lebens zurückblickt. Wenn das einzig Beständige die Elbe ist, immer da, die weiter fließt, Konstante ist und sich dennoch verändert, durch die Zeit und die Menschen. Der Fluss, die Elbe, als Lebensader, die am Ende, so wie alle Flüsse in den Hades mündet, buchstäblich und metaphorisch.
Flusslinien wird abwechselnd erzählt aus der Perspektive von Margrit, Arthur und Luzie. Margrit, eine ehemalige Stimm- und Gesangslehrerin, wohnt in einer Seniorenresidenz nahe der Elbe und blickt auf 102 Jahre Leben zurück. Sie muss aufpassen, dass ihre Erinnerungen sie nicht mit sich fortreißen. Am besten gelingt ihr das, wenn Luzie bei ihr ist, ihre Enkelin, die kurz vor dem Abitur plötzlich die Schule abgebrochen hat. Doch Luzie will nicht darüber sprechen, sie will ihren Zorn bewahren, den sie wie eine Mauer um sich gezogen hat. Warum weiß Margrit nicht, aber sie spürt, Luzie braucht sie genauso wie umgekehrt. Außerdem ist Margrit hartnäckig, nur die Zeit macht ihr Sorgen, dass sie nicht reicht, um Luzie zu helfen. Und um sich zu erinnern. Denn um gehen zu können und zu vergessen, muss sich Margrit erst erinnern.
Dann ist da noch Arthur: „Krötenretter, Vogelzähler, Sondengänger, Orksprachenerfinder, Minibusfahrer.“ (S. 171). Arthur fährt Margrit jeden Tag in den römischen Garten beziehungsweise dem, was davon übrig ist. Der Garten an der Elbe wurde in den 1920er Jahren von Else Hoffa angelegt. Else ist Margrits Tor in die eigene Vergangenheit, ihr Zugang zu Erinnerungen, die sie vielleicht bisher nicht haben wollte:„Sie hat in ihrer Jugend zu wenig über den Krieg nachgedacht. … In einer Diktatur ist Nachdenken schlecht für das Überleben. Der Satz klingt glatt wie eine Ausrede.“ ( S. 13/14). Arthur und Margrit lieben beide Sprache, und beide wissen, dass Sprache ebenso Schweigen und Stille ist. Während Margrit versucht die stillen Puzzleteile ihrer Erinnerung zusammenzusetzen, beginnt auch Arthur langsam aus seinem Schweigen auszubrechen. Behutsam versuchen sie dabei jeder für sich und letztlich trotzdem gemeinsam, Luzies Mauer abzutragen.
Flusslinien ist offensichtlich eine Metapher für ein bewegtes Leben, wie auch für die Bewegungen des Lebens. Aber eigentlich ist Sprache das alles verbindende Thema der Protagonisten. Sprache ist auch das, was dieses Buch so beeindruckend macht, Hagenas facettenreicher, feinsinniger Umgang mit Sprache, ihr gut dosierter Humor („Alt sein ist oft wie ein Kind sein, bloß ohne dabei noch irgendwen zu entzücken.“), das kunstvolle Einflechten gesellschaftlicher Themen, ohne zu belehren, aber so, dass man darüber nachdenken muss.
Das Buch braucht eine Weile und man muss sich als Leser:in zunächst bewusst der Melancholie und Feinsinnigkeit öffnen. Flusslinien ist ein Buch, das Zeit braucht. Man kann es nicht zwischendurch lesen. Wenn man sich darauf einlässt, beginnt es erst zu wirken. Dann aber nachhaltig.
Die Geschichte selbst ist wie das Cover, melancholisch und etwas bedrückend, aber doch hoffnungsvoll und mit wunderschönen Details. Und so ist es vielleicht, wenn man wie Margrit - eine der drei Hauptfiguren in Hagenas Roman - auf über hundert Jahre eines Lebens zurückblickt. Wenn das einzig Beständige die Elbe ist, immer da, die weiter fließt, Konstante ist und sich dennoch verändert, durch die Zeit und die Menschen. Der Fluss, die Elbe, als Lebensader, die am Ende, so wie alle Flüsse in den Hades mündet, buchstäblich und metaphorisch.
Flusslinien wird abwechselnd erzählt aus der Perspektive von Margrit, Arthur und Luzie. Margrit, eine ehemalige Stimm- und Gesangslehrerin, wohnt in einer Seniorenresidenz nahe der Elbe und blickt auf 102 Jahre Leben zurück. Sie muss aufpassen, dass ihre Erinnerungen sie nicht mit sich fortreißen. Am besten gelingt ihr das, wenn Luzie bei ihr ist, ihre Enkelin, die kurz vor dem Abitur plötzlich die Schule abgebrochen hat. Doch Luzie will nicht darüber sprechen, sie will ihren Zorn bewahren, den sie wie eine Mauer um sich gezogen hat. Warum weiß Margrit nicht, aber sie spürt, Luzie braucht sie genauso wie umgekehrt. Außerdem ist Margrit hartnäckig, nur die Zeit macht ihr Sorgen, dass sie nicht reicht, um Luzie zu helfen. Und um sich zu erinnern. Denn um gehen zu können und zu vergessen, muss sich Margrit erst erinnern.
Dann ist da noch Arthur: „Krötenretter, Vogelzähler, Sondengänger, Orksprachenerfinder, Minibusfahrer.“ (S. 171). Arthur fährt Margrit jeden Tag in den römischen Garten beziehungsweise dem, was davon übrig ist. Der Garten an der Elbe wurde in den 1920er Jahren von Else Hoffa angelegt. Else ist Margrits Tor in die eigene Vergangenheit, ihr Zugang zu Erinnerungen, die sie vielleicht bisher nicht haben wollte:„Sie hat in ihrer Jugend zu wenig über den Krieg nachgedacht. … In einer Diktatur ist Nachdenken schlecht für das Überleben. Der Satz klingt glatt wie eine Ausrede.“ ( S. 13/14). Arthur und Margrit lieben beide Sprache, und beide wissen, dass Sprache ebenso Schweigen und Stille ist. Während Margrit versucht die stillen Puzzleteile ihrer Erinnerung zusammenzusetzen, beginnt auch Arthur langsam aus seinem Schweigen auszubrechen. Behutsam versuchen sie dabei jeder für sich und letztlich trotzdem gemeinsam, Luzies Mauer abzutragen.
Flusslinien ist offensichtlich eine Metapher für ein bewegtes Leben, wie auch für die Bewegungen des Lebens. Aber eigentlich ist Sprache das alles verbindende Thema der Protagonisten. Sprache ist auch das, was dieses Buch so beeindruckend macht, Hagenas facettenreicher, feinsinniger Umgang mit Sprache, ihr gut dosierter Humor („Alt sein ist oft wie ein Kind sein, bloß ohne dabei noch irgendwen zu entzücken.“), das kunstvolle Einflechten gesellschaftlicher Themen, ohne zu belehren, aber so, dass man darüber nachdenken muss.
Das Buch braucht eine Weile und man muss sich als Leser:in zunächst bewusst der Melancholie und Feinsinnigkeit öffnen. Flusslinien ist ein Buch, das Zeit braucht. Man kann es nicht zwischendurch lesen. Wenn man sich darauf einlässt, beginnt es erst zu wirken. Dann aber nachhaltig.