Sich mit Tattoos mitteilen

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Das Buch fällt auf durch ein sehr schönes atmosphärisches Cover, die Wildgänse fliegen über die Elbe und das gegenüberliegende Ufer ist durch den Nebel kaum zu erkennen. Etwas oberhalb liegt der Römische Garten, den Elsa Hoffa Anfang des 20. Jh. angelegt hat. Es ist der Lieblingsort der 102-jährigen Margret. Hierhin lässt sie sich von Arthur, dem Fahrer der Seniorenresidenz täglich bringen, weil der Garten Erinnerungen an ihre Mutter birgt. Ihre Mutter Johanne war die Freundin der Gärtnerin. Margret war in ihrem Berufsleben Therapeutin für Stimmbildung und Atemübungen. Auch heute noch nimmt das richtige Atmen in ihrem Leben einen wichtigen Platz ein.
Margret hat eine Enkelin Luzie, ihr Sohn Frieder lebt seit Jahren in Australien. Luzie ist traumatisiert aus Australien zurückgekehrt und hat kürzlich kurz vor dem Abitur die Schule verlassen. Mit ihrer Mutter Brisko verbindet sie ein eher schwieriges Verhältnis, mit ihrer Großmutter befindet sie sich eher auf einer Wellenlänge. Luzie träumt von einer Karriere als Tattoo Artist und sie ist auch tatsächlich gut in dem, was sie macht.
Die dritte Person, deren Schicksal an zwölf Frühsommertagen an der Elbe beleuchtet wird, ist Arthur, der Fahrer. Auch er hat seinen Weg noch nicht gefunden. Er taucht, erfindet Sprachen für Computerspiele und fährt die Patienten der Seniorenresidenz zu ihren Terminen. Und nebenbei trägt er an einer Schuld, die ihn nicht loslässt.
Das Buch ist abwechselnd aus Sicht der drei Hauptfiguren Margrit, Luzie und Arthur geschrieben und durch Rückblenden oder ihre Gedanken und Gespräche miteinander erfahren wir beim Lesen die volle Geschichte der drei. Luzies Wut und Verzweiflung über das was in Australien geschah, wird dabei deutlich spürbar.
Vielleicht ist das, was die drei Charaktere verbindet, die Sprache. Margret kann allein schon am Atmen ihres Gegenübers erkennen, wie er oder sie sich fühlt. Luzie drückt sich durch ihre Bilder und Tattoos aus und Arthur entwirft vollkommen neue Sprachen.
Margrit stellt sich Luzie als Übungsobjekt für ihre Tattoos zur Verfügung und Luzie entwirft einen Flusslauf mit wesentlichen Stationen aus Margrits Leben. Dass Margret sich tätowieren lässt, kann ich noch nachvollziehen, denn damit erhält sie Zugang zu Luzie und ihren Gedanken. Bei den Altersgenossen in der Seniorenresidenz kamen mir aber doch Zweifel. Auch wenn Gregor es vielleicht aus Zuneigung zu Margret in Erwägung gezogen hat.
Margret und ihre Enkelin sind sich herzlich zugetan und genau diese Liebe ist es auch, die beide im Umgang miteinander milder werden lässt. Während Luzie ihrer Umwelt meistens ziemlich wütend gegenübersteht, sieht sie ihrer Oma schon allein aus Altersgründen einiges nach. Die Tattoos sind ein Verständigungsmittel, damit teilt sie sich ihrer Umwelt mit.
Katharina Hagenas Sprache lehnt sich an das wunderschöne Cover an und ist häufig naturbezogen. Das Buch liest sich gut und flüssig, zählt aber nicht so ganz zu meinen Highlights, obwohl ich sicher bin, dass es sehr viele Fans finden wird.