Fesselnde Fortsetzung

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MEINE MEINUNG
Mit „Fräulein Anna, Gerichtsmedizin - Die Schwabinger Morde“ setzt die Münchner Autorin Petra Aicher ihre vielversprechende historische Roman-Serie rund um die junge in der Münchener Gerichtsmedizin arbeitende Anna Zech aus einfachen Verhältnissen und den adeligen Skandalreporter Fritz von Weynand fort.
Angesiedelt ist der zweite Band vor dem historischen Hintergrund des gerade begonnenen Ersten Weltkriegs 1914. Es entspinnt sich erneut eine abwechslungsreiche und fesselnde Geschichte, die mich mit den vielschichtigen Nachforschungen der beiden sympathischen Protagonisten rund um das Auffinden eines toten Säuglings im Hinterhof mitten im Schwabinger Künstlerviertel sowie beeindruckendem Zeit- und Lokalkolorit schnell in ihren Bann gezogen hat.
Die Autorin nimmt uns mit auf eine lehrreiche Zeitreise in die bayerische Hauptstadt München und vermittelt mit ihren lebendigen Beschreibungen und den eindrucksvollen historischen Einblicken in das Alltagsleben und die Münchner Gesellschaft ein stimmiges Bild der damaligen Zeit. In den gut recherchierten zeitgeschichtlichen Rahmen hat sie nicht nur interessante historische Fakten eingestreut sondern lässt uns auch hautnah am bemerkenswerten Stimmungswechsel in der einst blühenden Metropole teilhaben. Nach anfänglichem Hurra-Patriotismus machen sich bereits die fatalen Auswirkungen des brutalen, erst wenige Wochen währenden Kriegs für die Bevölkerung bemerkbar.
Sehr anschaulich führt uns die Autorin auch die damaligen gesellschaftlichen Unterschiede zwischen den Adeligen und dem Rest der Bevölkerung sowie die allgegenwärtigen Doppelmoral vor Augen, und gewährt uns sehr aufschlussreiche und nachdenklich stimmende Einblicke in das oftmals ausweglose Leben der Frauen zu jener Zeit in einer von Männern dominierten Welt.
Dank des lebendigen, abwechslungsreichen Erzählstils können wir uns an der Seite der beiden sympathischen Protagonisten in die historische Vergangenheit abtauchen. Rasch werden hineingezogen in die spannenden Nachforschungen des inzwischen gut eingespielten Ermittlerduos und ihrer verzweifelten Suche nach der Mutter des toten Säuglings. Der fesselnde und sehr wendungsreiche Fall lädt zum Miträtseln ein und hält so manche falsche Fährten für uns bereit. So zieht die Spannung immer weiter an und gipfelt schließlich in einem packenden Showdown. Obwohl ich einige Hintergründe erahnt habe, konnte mich die stimmigen Auflösung am Ende dennoch überraschen.
Die vielschichtige Geschichte lebt aber vor allem von der interessanten Dynamik und den oftmals höchst amüsanten Schlagabtauschen zwischen den beiden so unterschiedlichen Protagonisten Anna und Fritz. Ihre verschiedenen Charaktere sind glaubwürdig und mit viel Liebe ausgearbeitet, so dass sie mit ihren Eigenarten sehr lebensnah wirken. Die junge Krankenschwester Anna Zech ist trotz ihrer einfachen Herkunft eine bemerkenswerte, sehr selbstbewusste Protagonistin, die als Obduktionsassistentin in der Münchner Gerichtsmedizin in ihrer ungewöhnlichen Arbeit richtig aufgeblüht ist. Doch auch der adlige Friedrich von Weynand, der seiner unglücklichen Ehe zu entfliehen versucht, und als proletarischer Journalist Fritz Nachtwey in München Skandalgeschichten für seine Zeitung schreibt, hat im Laufe der Handlung neue interessante Facetten hinzugewonnen und lässt neben seiner unnahbaren, flapsigen und oft zynischen Art auch seine Verletzlichkeiten und liebenswerten Seiten erkennen.
Ihre charakterliche Weiterentwicklung ist zudem sehr authentisch gezeichnet, und die beiden ergänzen sich bei ihren gemeinsamen Ermittlungen hervorragend. Sie verbindet inzwischen eine tiefe, von Respekt und Zuneigung geprägte Freundschaft, aus der sich durchaus auch noch mehr entwickeln könnte. Ich bin sehr gespannt, wie es mit ihnen weitergehen wird.

FAZIT
Eine gelungene Fortsetzung der unterhaltsamen historischen Romanreihe - mit einem fesselnden und höchst verzwickten Kriminalfall, sehr sympathischen Charakteren, tollem historischen Flair und viel Münchner Lokalkolorit!