‚Alles würde nun anders werden, dachte Hulda, und doch nicht.'

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sabatayn76 Avatar

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‚Alles würde nun anders werden, dachte Hulda, und doch nicht. Denn am Winterfeldtplatz in Schöneberg blieb alles gleich, auch wenn die Welt rundherum in Scherben zerfiel.‘ (Track 141)

Berlin, 1922: Hulda Gold ist Mitte 20 und arbeitet als Hebamme. Sie kümmert sich hochengagiert um schwangere Frauen und Neugeborene, und vor allem in den Elendsvierteln der Stadt, z.B. am Bülowbogen, ist ihr der enge Kontakt zu den Frauen wichtig.

Die junge Lilo, die gerade ihr erstes Kind mit Huldas Hilfe zur Welt gebracht hat, erzählt Hulda voller Entsetzen davon, dass ihre Nachbarin tot im Landwehrkanal gefunden wurde. Lilo glaubt nicht an Suizid, sondern eher an einen tragischen Unfall oder sogar Mord.

Hulda beginnt, im Umfeld der Toten zu recherchieren, und trifft so auf den anscheinend immerzu schlecht gelaunten Polizeikommissar Karl North.

Ich mag die Epoche zwischen den beiden Weltkriegen sehr und liebe Geschichte, die in Berlin spielen, mich an Orte versetzen, die ich selbst kenne, und mir eine Welt zeigen, wie sie vor 100 Jahren war. Aus diesem Grunde bin ich auch großer Fan von Volker Kutschers Büchern, und genau wie bei Kutscher entführt auch Anne Stern den Leser/Hörer in eine längst vergangene Welt, die jedoch überall in Berlin ihre Spuren hinterlassen hat.

Stern erzählt in ‚Fräulein Gold. Schatten und Licht‘ nicht nur die Geschichte Huldas und lässt den Leser/Hörer an einem spannenden Kriminalfall teilhaben, sondern schreibt auch eine Kulturgeschichte der Stadt Berlin, bietet Einblicke in deutsche Geschichte, zeigt den Glanz der 1920er und die Probleme der Zeit, erwähnt historische Begebenheiten und ermöglicht zudem einen Blick in die ‚Irrenanstalt Dalldorf‘, die im Buch eine wichtige Rolle spielt.

Ich fand das Hörbuch ganz wundervoll: Die Stimmung im Berlin der 1920er Jahre wurde perfekt eingefangen, Hulda ist eine ebenso sympathische wie komplexe Figur, auch die anderen Charaktere wurden überzeugend beschrieben, die Szenerie und die Handlungsorte sieht man regelrecht vor dem geistigen Auge, und die Geschichte ist von Anfang bis Ende unterhaltsam und packend.

Auch die Lesung von Anna Thalbach ist gelungen, obwohl ich sie anfangs bisweilen etwas aufgesetzt und fast ein wenig theatralisch fand.

Ich freue mich schon sehr auf den 2. und 3. Band der Reihe und bin schwer begeistert von diesem gelungenen Hörbuch.