Eine realitätsnah geschilderte Zeitreise in die 1920er Jahre

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anna625 Avatar

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Hulda Gold ist Hebamme rund um den Winterfeldplatz in Berlin. Als ganz in der Nähe die Leiche von Rita Schönbrunn im Landwehrkanal gefunden wird und die Polizei von Selbstmord ausgeht, beginnt Hulda nachzuforschen. Denn eine Nachbarin der Verstorbenen, die Hulda bei der Geburt ihres Sohnes betreut, ist sich sicher, dass das nicht stimmen kann. Und schon bald merkt Hulda, dass sie das Schicksal Ritas nicht mehr loslässt und ihr ihre Geschichte seltsam nahegeht. Wer war diese Frau, wer hat sie ermordet? Und warum will Komissar North den Fall so schnell wie möglich zu den Akten legen?

Bei ihren Nachforschungen gerät Hulda jedoch zunehmend sebst in Gefahr, denn nicht jeder im Bülowbogen ist einverstanden damit, dass sie Fragen stellt und Licht ins Dunkel der Vergangenheit zu bringen versucht...


Das Buch hat mich sehr positiv überrascht. Der Autorin gelingt es sehr gut, die Stimmung des Berlins der 1920er Jahre einzufangen und den Kontrast zwischen Arm und Reich hervorzuheben. Die Not und das Elend der ärmeren Bevölkerungsschichten wird beinahe greifbar. Die Grundstimmung schwankt zwischen dem Bedrückenden des offiziell überstandenen Krieges, der noch immer riesige Auswirkungen auf die Bevölkerung hat, und der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Gleichzeitig zeichnen sich erste nationalsozialistische Tendenzen ab.

Besonders der geschilderte Umgang mit vom Krieg traumatisierten Soldaten, aber auch mit davon unabhängig psychisch Beeinträchtigten und Menschen mit geistiger Behinderung sind erschreckend - umso mehr wenn man bedenkt, dass dies leider nicht bloß Fiktion ist.

Dank des Schreibstils, der sich wirklich wunderbar flüssig liest und das Bild des Winterfeldplatzes mit all seinen Bewohnern fast wie nebenbei vor dem inneren Auge des Lesers entwirft, konnte ich direkt in diese Geschichte eintauchen. Nicht nur Hulda hat einen interessanten Charakter, auch die Nebenfiguren wie etwa der Zeitungsverkäufer Bert oder Huldas Wirtin Frau Wunderlich sind interressant und liebevoll skizziert.

Mit dem Kommissar Karl North hingegen konnte ich mich nicht so ganz anfreunden, alles in allem finde ich das Buch aber wirklich gelungen. Ich bin gespannt auf den zweiten Band!