Gelungener Auftakt einer Hebammen-Saga im Berlin der frühen Zwanziger

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büchermaulwurf Avatar

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Dieser Roman hat mich durch den sehr gelungene Mix aus historischem Roman, Krimi und einer zarten Liebesgeschichte wirklich positiv überrascht und begeistert.

Im Mittelpunkt steht die gewitzte und unerschrockene Hebamme Hulda Gold, die sich mit viel Hingabe um die zumeist armen Schwangeren und Wöchnerinnen im Elendsviertel Bülowbogen kümmert. Bei einem Hausbesuch einer ihrer Schwangeren, hört sie von deren Nachbarin Rita, die tot im Landwehrkanal gefunden wurde. Ihre Schwangere glaubt nicht an einen Unfall oder Selbstmord der Nachbarin und Hulda versucht für sie mehr herauszufinden. Bei ihren Nachforschungen stößt sie auf den undurchsichtigen Kommissar Karl North, der scheinbar kaum Interesse an einer Aufklärung des Falls hat. Rita lässt das Schicksal der armen Rita keine Ruhe und sie bringt sich durch ihre Nachforschungen selbst mehr als einmal in große Gefahr.

Anne Stern hat die Atmosphäre der frühen zwanziger Jahre in Berlin sehr gut eingefangen. Die Auswirkungen des ersten Weltkriegs sind noch immer spürbar. Es herrscht Armut und Prostitution und viele Waisenkinder hungern und führen ein trostloses Leben auf der Straße. Die Unterschiede zwischen Arm und Reich treten offen zu Tage. Politische Unruhen zeichnen sich bereits ab und das Geld verliert zusehends an Wert. Die damalige Zeit wird für den Leser sehr lebendig beschrieben und bildete einen authentischen Hintergrund für die Handlung.

Die lebendige Erzählweise gefiel mir sehr gut und lies mich an Huldas Seite durch den Bülowbogen radeln, in dem Licht und Schatten oft dicht beieinander lagen.
Huldas Charakter fand ich sehr authentisch und mit vielen Facetten. Sie ist eine unabhängige Frau, die ihre Arbeit als Hebamme mit viel Herzblut verrichtet. Das Schicksal ihrer Schwangeren liegt ihr sehr am Herzen. Durch ihre Hilfsbereitschaft gerät sie aber auch oft in Schwierigkeiten. Sie hat schon einiges hinter sich und stürzt sich auch mal heimlich und unerkannt ins Nachtleben. Kommissar North ist ebenfalls ein interessanter Charakter, der ein Geheimnis aus seiner Vergangenheit mit sich herumträgt. Aber auch viele Nebencharaktere hauchen der Geschichte Leben und Authentizität ein wie z.B. Bert der Kioskbetreiber, die Hausmeisterin Koslowski oder der Zuhälter Pedro.
Besonders tragisch ist das Schicksal von Rita. Ihre Geschichte wird mit ihrem Tagebuch eingeflochten und zeigt ihren bewegenden sozialen Abstieg. Über sie erhält man auch Einblicke in die damaligen Irrenanstalten und Nervenlazarette mit sehr fragwürdigen, erschreckenden Behandlungsmethoden.

Hulda Gold war für mich ein sehr sympathischer und lebendiger Charakter, der mich in das Berlin der 20er Jahre entführte und mir die damalige Zeit sowie die schwierige Arbeit einer Hebamme nahebrachte. Nebenbei ist sie noch federführend an der Aufklärung von Ritas Tod beteiligt. Der Kriminalfall fand eine überraschende und glaubwürdige Auflösung.

Insgesamt ist der Auftakt zur Hulda Gold-Trilogie sehr gelungen in seiner Kombination aus historischem Roman, Krimi und zarter Liebesgeschichte und auf jeden Fall lesenswert. Ich freue mich schon auf die Fortsetzung im November um zu erfahren, wie es mit Hulda weitergeht.