Gelunger Auftakt der Serie über eine Berliner Hebamme in den 1920ern

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girdie Avatar

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Der Roman „Fräulein Gold“ der Berlinerin Anne Stern ist der erste Teil einer Serie bei der die Hebamme Hulda Gold im Mittelpunkt steht. Die Geschichte ist ein Genremix: Sie spielt im historischen Berlin des Jahrs 1922, ein tragischer Unfall ist aufzuklären und neben der Beschreibung der Tätigkeiten rund um die Geburtshilfe schildert die Autorin auch eine beginnende Romanze ihrer Protagonistin.

Entsprechend des Untertitels „Schatten und Licht“ erzählt die Autorin von der bewegenden Zeit kurz nach dem Ende des Ersten Weltkriegs. Die Berliner sind voller Hoffnung auf anhaltenden Frieden, doch politisch kommt Deutschland nicht zur Ruhe. Die Armenfürsorge in Berlin ist überfordert und in den Clubs der Stadt frönen die Besucher manchem Laster. Auch Hulda ist nicht abgeneigt, sich einige schöne unterhaltsame Stunden mitten im Getümmel zu erlauben. Allerdings ist sie als ambulante Hebamme in ständiger Rufbereitschaft. Sie versorgt Schwangere in ihrem Wohnbezirk in Schöneberg und Umgebung, egal ob arm oder reich. Manchen Hausbesuch macht sie sogar umsonst, weil ihr das Leben von Mutter und Kind am Herzen liegt. Es ist nicht immer leicht, ihrer Aufgabe gerecht zu werden, weil eine klare Abgrenzung zu den Tätigkeiten besteht, die ein Arzt vorzunehmen hat.

Eine von Hulda betreute Schwangere wohnt am Bülowbogen. Die Wohnung der Nachbarin Margarita Schönbrunn, kurz Rita genannt, ist polizeilich gesperrt und wenig später erfährt Hulda davon, dass sie tot im nahen Landwehrkanal aufgefunden wurde. Das Schicksal von Rita ist ihr präsenter als ihr zunächst recht ist, doch dann beginnt sie Fragen zu stellen. Bei der Suche nach Antworten begegnet ihr Kriminalkommissar Karl North, der für sie im Laufe der Zeit in mehrfacher Hinsicht immer attraktiver wird.

Hulda trägt ihr Herz auf dem rechten Fleck. Sie lebt als Untermieterin in der Mansarde eines Mehrfamilienhauses, ist kein Kind von Traurigkeit, sondern offen und ehrlich. Geheimnissen geht sie gern auf die Spur. Sowohl bei Rita wie auch bei Karl spürt sie, dass deren Vergangenheit schicksalsgebend war. In schwierigen Situationen spricht sie sich selbst Mut zu und geht unbeirrt ihren Weg.

Die Perspektiven in der Geschichte wechseln, so dass in den einzelnen Erzählabschnitten nicht immer nur Hulda im Mittelpunkt steht. Dadurch wurde der Roman vielgestaltiger und neben der Protagonistin entwickelten sich auch andere Figuren darin mit. Einige Tagebuchauszüge aus dem Notizheft von Rita verdeutlichten den damaligen Umgang mit psychisch erkrankten Personen und gaben auf diese Weise weitere Einblicke in medizinische Gegebenheiten der damaligen Zeit.

Der Auftakt der Romanreihe „Fräulein Gold“ ist Anne Stern mit ihrem Buch „Schatten und Licht“ gelungen. Dank der sehr guten Recherche des historischen Hintergrunds und der Ortskenntnisse der Autorin entsteht das bunte Porträt einer Berliner Gesellschaft der Gegensätze in einer Zeit des Aufbruchs mit einer sympathischen Hauptfigur. Gerne empfehle ich den Roman weiter und warte schon ungeduldig auf den nächsten Band.