Hat noch Luft nach oben

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bellis-perennis Avatar

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„Licht und Schatten“ ist der erste Teil der Trilogie „Fräulein Gold“.
Hulda, wie Fräulein Gold mit Vornamen heißt, ist eine freie Hebamme im Bülowbogen, einem der vielen Viertel von Berlin, in denen es an allem mangelt, außer an Kindern und Verbrechen.

So fischt man die Leiche einer alternden Prostituierten, die man die „fixe Rita“ nennt, aus dem Kanal. Der Ermittler Karl North schwankt, ob er den Tod als Selbstmord oder Mord einstufen soll. Bei Ersterem hätte er weniger Arbeit.

Hulda eilt zu einer jungen Erstgebärenden, deren Nachbarin jene Tote war. Die junge Mutter glaubt weder an einen Unfall, noch an Selbstmord und bittet Hulda sich umzuhören. Dabei trifft sie immer wieder auf Karl North. Die beiden fühlen sich zwar voneinander angezogen, aber beide haben so ihre Geheimnisse, sodass die Begegnungen meist wenig harmonisch ablaufen.


Meine Meinung:

Ich lese gerne historische Romane bzw. Historische Krimis. Dieses Buch kann sich noch nicht entscheiden, welchem Genre es zugeordnet werden soll.
Der Schauplatz, das Berlin der 1920er Jahre, mit seinen Bars, Varietés und Kinos ist gut beschrieben. Auch das soziale Umfeld, in dem Hulda arbeitet, ist gut recherchiert. Einiges erinnert allerdings stark an Volker Kutschers „Gedeon Rath-Reihe“. Der Ermittler mit einer geheimnisvollen Vergangenheit, Drogensucht, das „Aschinger“, Halbweltdamen und Unterweltbosse - aber, wahrscheinlich waren die wirklich so präsent.

Als freie Hebamme hat es Hulda nicht so leicht, in die sogenannten „besseren Kreise“ hineinzukommen. So lebt sie selbst hart an der Armutsgrenze. Allerdings gibt sie ihr Geld für kurzzeitige Vergnügungen aus. Dass sie, wie viele Menschen dieser Zeit, harte Drogen nimmt, gefällt mir nicht so gut.

Das eine oder andere Geheimnis rund um Karl North wird in diesem ersten Teil gelüftet, doch einiges ist noch nicht aufgedeckt.

Geschickt sind historische Tatsachen in die Geschichte eingeflochten wie der Röhm-Putsch, die Ermordung Walter Rathaus und der Umgang mit den traumatisierten Soldaten aus dem „Großen Krieg“, wie man den Ersten Weltkrieg damals nannte. Barbarische Anwendungen wie Dunkelhaft, eiskalte Wasserbäder oder Elektroschocks gehörten zum Standardrepertoire der Mediziner. Das Verhungern lassen der ohnehin schon geschwächten Kranken geben einen Vorgeschmack, was knapp zwanzig Jahre später mit Menschen passieren wird, die als „lebensunwert“ bezeichnet werden. Dieser Begriff schleicht bereits in den 1920er herum. Der latente Antisemitismus wird durch die „Dolchstoßlegende“ und die aufkommenden Nationalsozialisten geschürt. Die schleichende Inflation macht auch vor Hulda nicht Halt.

Vieles aus dem Leben von Hulda oder Karl wird nur angedeutet und lässt die Leser ein wenig frustriert zurück, denn das Kopfkino will sich nicht so recht einstellen. Und welches Schicksal hat Bert, der Zeitungskioskbesitzer, erlitten? Und ist das Geheimnis der fixen Rita schon zur Gänze gelüftet?

Die Idee hat mir gut gefallen, die Umsetzung schwächelt ein wenig. Die Recherchen sind penibel durchgeführt und der Schreibstil ist durchaus angenehm. Hin und wieder verzettelt sich die Autorin, kehrt aber wieder zum roten faden zurück.

Fazit:

Ein weiteres Buch, das die Zeit der Zwanziger Jahre, dem Tanz auf dem Vulkan, gut beschreibt. Allerdings gibt es noch Luft nach oben, weswegen ich hier nur 3 Sterne geben kann.