...kommt her zu mir!

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gerwine ogbuagu Avatar

Von

Anne Stern
Fräulein Gold


Kommt her zu mir…


…scheint Hulda Gold den Menschen zu sagen, die vier Jahre nach dem Ersten Weltkrieg von Not und Elend geplagt leben müssen. Eine Hebamme, die ihren Beruf verantwortungsbewusst und liebevoll ausführt. Eine, die nicht nur an Honorare denkt, sondern die Frauen auch vor der Geburt betreut, was damals nicht üblich war und von den Krankenkassen nicht honoriert wurde. Sie tut alles was möglich ist für diese Frauen.
Wir tauchen ein in die Atmosphäre Berlins. Berlin der Zwanziger Jahre. Berlin und seine Bewohner gebeutelt Ersten Weltkriegs und dessen Folgen – Armut, Arbeitslosigkeit, Hunger, politische Wirren. Viele Frauen und Männer haben immerwährende Störungen mit sich herumzutragen, die der Weltkrieg ihnen durch seine Härte aufgezwungen hat. Ihr Leben ist gezeichnet. Mittendrin Hulda Gold, die sich unermüdlich um die ihr anvertrauen schwangeren Frauen kümmert. Viele leben in ärmlichen beengten Verhältnissen. Da geschieht etwas Einschneidendes in ihrer Nachbarschaft und in der Nachbarwohnung einer ihrer Patientinnen. Ein Mord. Er lässt Hulda keine Ruhe und sie beginnt, auf eigene Faust Nachforschungen anzustellen.
Vergessen und Entspannung findet Hulda nachts, wenn sie nicht schlafen kann in zwielichtigen Kaschemmen.
Da ist auch der Kriminalkommissar Karl North mit seiner sehr traurigen Vergangenheit, die ihn ständig begleitet und ihn niemals loslässt. Seine und Huldas Wege kreuzen sich. Beide wollen etwas über diesen Mord erfahren und über die Verwicklungen, die im Hintergrund lauern. Da ist mehr an diesem Mord, als an der Oberfläche zu vermuten ist. Die „fixe Rita“ war nicht nur „eine aus dem Milieu“ sondern bewahrte ihre ganz eigene Geschichte in einem Notizbuch, das Karl in die Hände fällt. Hulda und Karl beginnen nun ein schwieriges Vorhaben. Sie rutschen ungewollt zusammen in diese Mordermittlung hinein. Es dauert, bis die beiden sich gegenseitig akzeptieren, denn es ist ja nicht Huldas Aufgabe, einem Kommissar in die Karten zu schauen.
Huldas Name ist sehr passend: Hulda bedeutet im altdeutschen „hold“. Im Hebräischen „flinkes Wiesel“ und Hulda ist flink und unermüdlich. Aber er bedeutet auch „Guter Geist“ und genau das ist es, was Hulda ihren Patientinnen geben kann: Mut für ihr meistens beschränktes und hoffnungsloses Leben. Sie fühlt so sehr mit ihnen. Diese Eigenschaft fällt sogar Karl auf. Auch er meint genau das, was schon ihre Mutter immer über sie sagte „du kannst die Menschheit weder retten noch verändern…“
Wie wird es mit Hulda und Karl weitergehen? Anne Stern schreibt überzeugend. In lebendigen Bilder bringt sie uns den Kiez nahe, in dem Hulda wohnt, anhand der schönen Karte im Vorsatz kann man die genannten Orte nachvollziehen So kann man sich das Berlin der wilden 20er Jahre plastisch vorstellen. Sie beschreibt Menschenschicksale vor der brodelnden Kulisse Berlins, die immer wieder eine spannende Geschichten hergeben und über die viele berühmte Schriftsteller wie Erich Kästner, Alfred Döblin, Irmgard Keun, Hans Fallada und v. a. geschrieben haben. Anne Sterns neue Version ist spannend, informativ und überzeugend.
Gespannt warten wir auf die angekündigten Fortsetzungen.