Angeschlagene Frucht

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
amara5 Avatar

Von

Die südkoreanische Autorin Gu Byeong-mo hat mit „Frau mit Messer“ eine außergewöhnliche, soghafte und höchst spannende Geschichte zwischen tiefsinnig-philosophischem Gesellschaftsroman und rasanten Thriller erschaffen.

Eine alternde, unauffällige Frau lebt alleine mit ihrem Hund Deadweight in einer beengten Wohnung einer Großstadt – ihr Beruf: Auftragskillerin. Deckname: Hornclaw. Über eine Agentur erhält sie ihre brutalen Aufträge zur „Schädlingsbekämpfung“, möchte sich aber bald zur Ruhe setzen und ihre legendäre Karriere beenden – doch bei ihren letzten Schritten holen sie die Schatten der Vergangenheit ein und Hornclaw, die es gewohnt war, ihre Gefühle zu verstecken und kaltblütig zu töten, wird ihre aufkommende Zuneigung zu Dr. Kang und seiner Familie zum Verhängnis, das sie angreifbar macht. Auch merkt sie, dass ihr scharfer Verstand und tadellose körperliche Fitness langsam nachlassen.

Mit schwarzem Humor und tiefgründigem Feingefühl für die prekäre Rolle einer älteren Frau in Südkorea ist „Frau mit Messer“ ein messerscharfes Psychogramm einer Frau, die sich aus der Armut nach oben gekämpft hat und nun im Kapitalismus, der sie gnadenlos abhängt, „Schädlinge“ eliminiert. Der Plot ist äußerst packend, intelligent konstruiert und wartet am Ende mit einem fulminanten und detailliert gewaltvollen Showdown mit Hornclaws Gegenspieler Bullfight. Die prägnanten gesellschaftskritischen Aspekte der modernen koreanischen Gesellschaft werden gekonnt mit rasanten Thriller-Elementen und treffsicheren Dialogen sowie Hornclaws bissig-klugen Gedanken zum Älterwerden in Korea verwoben – auch die Rückblicke in die turbulente Vergangenheit mit Mentor Ryu sowie in die schwierige Kindheit der Killerin sind bewegend und ausgewogen akzentuiert.

„Frau mit Messer“ ist ein literarisches Highlight aus Südkorea – intelligent, gewitzt, gesellschaftskritisch und mit nervenaufreibender Spannung bis zum Schluss! Einzig und alleine der koreanische Originaltitel, der übersetzt etwa „angeschlagene Frucht“ bedeutet, wäre noch treffender gewesen – fängt er doch metaphorisch das gebrechliche Älterwerden samt Abgehängtsein, das Aufbrechen von Gefühlen und die Verdrängung der traditionellen Marktstände in Südkorea durch große Supermärkte besser ein.