Killer Granny

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herr_stiller Avatar

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Ruhestand Mitte 60? Für viele Wunschvorstellung, für Hornclaw undenkbar. Auch wenn sie ihr eigenes Alter spürt, die Tücken ihres Jobs und das spöttisch-mobbende Verhalten eines jungen Kollegen. Aber Hornclaw ist auch nicht Lehrerin, nicht Ärztin oder Juristin – sie ist Auftragsmörderin. Oder wie sie es nennt: Schädlingsbekämpferin. Eine gute, die noch nicht bereit ist loszulassen. Bis sich alles überschlägt – und dann fast schon etwas zu schnell vorbei ist.

„Frau mit Messer“ startet behutsam und ruhig mit einem Mord. Klingt auf den ersten Blick merkwürdig, aber alles geschieht ganz ruhig in einer U-Bahn. Das Opfer, ein übergriffiger, misogyner Mann, hat es verdient und es ist erst einmal ganz egal, warum er es wirklich verdient hat und wer den Auftrag gegeben hat. Stück für Stück wird Hornclaws Job, ihre Agentur und ihr beruflicher Werdegang enthüllt. Sie lernt die Familie des neuen Agentur-Arztes kennen und zeigt ihre weiche Seite, die ihr zum Verhängnis zu werden scheint. Und dann ist da noch der junge Kollege, der Hornclaw auf dem Kieker hat.

Byeong-mo Gu legt hier einen Rachethriller der anderen Form vor. Der Nervenkitzel ist eher unterschwellig-empathisch, bezogen auf die Gefühle der Hauptfigur. Es überwiegt eine Art innere Ohnmacht, das eigene Alter (an) zu erkennen und loszulassen, ohne zu wissen, was folgen wird. An mancher Stelle ist das zu bedächtig, zu langatmig fast, an anderen genau richtig. Etwas schade: Der Höhepunkt, auf den die Autorin hinarbeitet, ist sehr schnell vorbei. Das passt natürlich, denn „Frau mit Messer“ ist kein Tarantino, aber etwas mehr Tiefe hätte das Ende des Buchs durchaus verdient.

Und dennoch ist „Frau mit Messer“ eine durchaus lesenswerte Reise nach Korea, eine Welt zwischen Alltag und Kriminalität, Altern und Zukunftssorgen, Gentrifizierung und Misogynie. Nicht so auffällig und schon gar nicht so knallig wie sein Cover. Aber passend zur Hauptfigur, die nicht groß auffallen möchte – und dann doch zuschlägt. Nicht schlecht für 65.