Schwarzes Loch bei Aurich?

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hennie Avatar

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Mir gefiel die Leseprobe zu dem Krimi, der in Aurich/Ostfriesland spielt. Schon die erste Seite, wie die Autorin die Geschichte beginnt, machte mich neugierig.
„Er entschied sich böse zu sein. Doch das alles geschah natürlich unterbewusst...“
Dann die alltägliche Szene. Ein von seiner Frau genervter Ehemann, dem sein Leben fade erscheint. Johann Schmees fühlt sich wie im Hamsterrad und seine „bessere“ Hälfte Tabea bestimmt, wie und wo es langgeht. Immer! Und plötzlich passiert das Furchtbare. Auf dem Rückweg vom Einkauf, liegt da plötzlich ein Sack auf der Straße. Der grauenhafte Inhalt: LEICHENTEILE, nur Hände und Füße! (Mich erinnerte das sofort an den soeben gelesenen, guten Debütroman von Daniel Cole: Ragdoll). Im weiteren Verlauf der Leseprobe erfährt man, dass der Sack nur einer von zehn war. Wo sollen die restlichen Behältnisse entsorgt werden? An welchem Ort befinden die sich? Was ist das für ein pervers veranlagter Verbrecher? Das war der Ansatz mit dem ich mich für das Ebook bewarb. Die ersten Seiten fand ich durchaus spannend.
Als ich „Fremder“ dann tatsächlich lesen durfte, war diese Geschichte für mich eine einzige, riesengroße Enttäuschung. Der gesamte Text wirkt auf mich wie eine Rohfassung. Die überreichlich vorhandenen Dialoge sind nüchtern, teilweise gestelzt und seltsam leblos, werden hingebogen auf beliebige Inhalte. Verschiedenartige Themen werden aufgegriffen, die mit den grausamen Verbrechen rein gar nichts zu tun haben (Massentierhaltung, Fremdenhaß, Praktikantenstelle, Interessenlosigkeit und Gleichgültigkeit der einheimischen Bevölkerung u.a.m.). Auch dadurch kommt die Handlung nicht in Fluß. Sie wird abgewürgt. Es ist viel zu viel gewollt auf 155 Seiten (bei mir auf meinem Tolino), Angabe der Autorin: 265 Seiten.
Die Ermittler Lisa Berthold und Jan Krömer arbeiten allein an dem Fall.Sie leben auch privat zusammen. Was haben sie für ein Verhältnis zueinander? Sie leben wie Brüderchen und Schwesterchen. Warum? Muss man vorher die sechs Teile gelesen haben? Fragen über Fragen.
Der Rechtsmediziner tritt nur einmal persönlich auf mit seiner forschen, despektierlichen, nicht gerade zimperlichen Bemerkung:
„...ich werde mit dem Schlachtabfall in die Rechtsmedizin fahren...“
Die gefundenen Leichenteile werden identifiziert als zu fünf Menschen gehörig. Bei dieser Anzahl Opfer bleibt es bei weitem nicht! Wer waren diese Menschen? Werden die nicht vermißt? Bis zum Ende der abgedrehten, unmotivierten Geschichte keinerlei Hinweise darauf. Befindet sich in Ostfriesland rund um Aurich ein schwarzes Loch, in dem Menschen einfach spurlos verschwinden können? Wieso bleibt ein so unvorstellbar grausames Tun unbemerkt?

"Ich habe erst mit fünfzig meine Leidenschaft für das subtile Verbrechen entdeckt." So wird Moa Graven, die Autorin zitiert. Das subtile Verbrechen suchte ich in dem Fall, den bereits siebten Fall für Jan Krömer, vergebens. Weiß die Autorin was subtil bedeutet? Das ist alles das, was „Fremder“ nicht ist. Die Geschichte ist weder sorgsam, noch zart, weder fein, noch spitzfindig. Der Thriller ist auch nicht tückisch oder verschlagen.
Es ist ein oberflächliches, ungenaues, schlecht durchdachtes Werk.

Ich bin immer noch entsetzt über die Qualität des Gelesenen.
Das ist auch Literatur? Nichts für mich. Ich möchte keine weiteren Fälle mehr lesen.
Das Cover hat mit der Geschichte nichts zu tun. Es regnet nicht und ein Mann mit Kapuze kommt auch nicht vor. Weil es aber zumindest düster daherkommt und zum Genre paßt, vergebe ich dafür und für die Idee der Geschichte einen Stern!