Das Zeitalter der Aufklärung

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hurmelchen Avatar

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Eine Parabel, nicht mehr und nicht weniger hat Andrew Miller mit seinem Roman "Friedhof der Unschuldigen" geschaffen. Die Geschichte des jungen Ingenieurs Jean - Baptiste Barratte, der 1785 aus der Provinz nach Paris kommt, und dort, von höchste Stelle in Versailles, den Auftrag erhält, den Friedhof "Les Innocents" im Viertel Les Halles, zu demolieren, da dessen Ausdünstungen die Stadt vergiften. Barratte holt seinen Freund Lecoeure und einen Trupp flämischer Arbeiter aus seiner Heimatstadt, und macht sich mit ihnen an die Arbeit.
Die schrecklichen Exhumierungsarbeiten rufen das Misstrauen der Bevölkerung hervor und Barratte begegnet mehr als einmal seinem Schicksal.
Andrew Miller erzählt das alles süffig und bedient sich einer wunderbar klaren, altmodischen Sprache, die einen manches mal denken lässt, man lese ein Werk ebendieses 18. Jahrhunderts.
Dieses Jahrhundert schildert er so bildhaft und eindringlich, daß man den Gestank des Friedhofs fast riechen kann. Stilistisch ist das von Feinsten.
Das Manko des Romans allerdings ist sein Hauptprotagonist. So großartig Miller einige Figuren schildert, z.B. Heloise, die Prostituierte; Jeanne, die Enkelin des Küsters; Armand, den Organisten, so konturlos bleibt Barratte. Er ist das bloße Mittel zum Zweck, um der Parabel auf das Ende des Ancient Regime ein Gesicht zu geben. Die Zerstörung des Friedhofs ist der Beginn des Zeitalters der Aufklärung.
Das alles erzählt Miller zwar prächtig, und hebt seinen Roman damit aus dem üblichen ' Wanderhuren- Historien-Allerleih' heraus ( wenn es ein historischer Roman sein soll, dann bitte so einer), aber ich hätte mir mehr Drama, mehr Handlung gewünscht, und so bleibt "Friedhof der Unschuldigen" hinter Andrew Millers Erstling "Die Gabe des Schmerzes", auch angesiedelt im 18. Jahrhundert und somit direkt vergleichbar, zurück.