Eine Parabel: Was ist modern?

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meldsebjon Avatar

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Hier liegt ein Roman vor, der auf vielen Ebenen verschiedene Geschichten erzählt:

Einmal geht es um einen jungen Ingenieur, der im Paris kurz vor der Revolution einen wichtigen Auftrag erhält: Er soll die viel zu vielen Toten eines Friedhofes "umbetten" und sowohl Friedhof als auch angrenzende Kirche einebnen. Eigentlich erhält er den Auftrag per Zufall, hat aber bereits Erfahrungen im Bergbau und kann somit auf Erfahrung und Personal zurückgreifen. Entgegen den Widerständen aus der Umgebung nimmt sein Werk Gestalt an. Die ganze Umgebung stinkt, hat sich aber an den Gestank gewöhnt. Er lernt eine Menge Leute kennen, verliebt sich und bemüht sich durch Kleidung und Literatur "modern" zu scheinen.

Die zweite Ebene ist die politische: Menschen sind unzufrieden mit ihrem Leben und mit den Möglichkeiten, die sie haben. Es gärt in der Bevölkerung und man ist schon lange nicht mehr so Obrigkeitshörig wie früher, nimmt Aussagen des Klerus keineswegs wirklich Ernst. Sich eigene Gedanken zu machen ist der erste Schritt, sich gegen Zwänge aufzulehnen und das beginnt hier.

Letztlich ist da noch die symbolhafte Geschichte: Der Friedhof muss bis auf den Grund, teilweise bis 20 Meter tief, ausgehoben und mit neuer Erde gefüllt werden. Nur wenn man wirklich alles bis auf den Grund erneuert kann der Gestank beseitigt werden, der sich im Laufe der vergangenen Jahrhunderte angesammelt hat. Das ist doch wirklich ein eindeutiges Bild, das da gezeichnet wird.

Fazit: Einfach herrlich, wie da mit Worten, Symbolen, Figuren aus der Geschichte und aus der Anonymität gespielt wird. Der Organist, der auf einer stummen Orgel spielt, Dr.Guillotine, der fasziniert die ausgegrabenen Knochen untersucht und viele kleine Details mehr. Ein Buch, das sicher auch beim zweiten Lesen noch neue Entdeckungen birgt.