Kein Friedhof zum Ausruhen

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wal.li Avatar

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Der junge Ingenieur Jean-Baptiste Baratte wird im Jahr 1785 beauftragt, den Friedhof der Unschuldigen und die dazugehörige Kirche zu demontieren. Denn der Friedhof, der bereits vor einigen Jahren geschlossen wurde, beherbergt so viele Gebeine, das die Erde sie nicht mehr aufnehmen konnte und so unangenehme Ausdünstungen das ganze Viertel vergiften. Eher durch eine Verwechslung ist Baratte an den Auftrag gekommen, von dem er nicht sicher ist, ob er ihn erfüllen kann. Doch Ruhm und Geld locken und so begibt er sich an seine ungewöhnliche Aufgabe. Zunächst einmal, ohne den Grund seiner Anwesenheit zu nennen, macht er sich mit der Umgebung vertraut und sucht sich eine Unterkunft nahe seiner Wirkungsstätte. Schnell lernt er den Organisten der Kirche kennen, der ihm ein guter Weggefährte wird und auch an weiblichen Bekanntschaften mangelt es nicht.

In einen wahren geschichtlichen Rahmen hat der Autor eine turbulente, abenteuerliche und manchmal nicht so leicht verdauliche Historie gegossen. Am Vorabend der Revolution, waren schon erste Ansätze der Veränderung zu spüren. Die Abtragung des Friedhofs wurde nicht nur positiv aufgenommen. Auch die tatsächliche Planung und Ausführung der Tätigkeit hatte es in sich. Allein die Vorstellung, man solle die Erde metertief aufgraben, in der abertausende Gebeine lagern, schaudert einen. Kann man in Erfüllung einer solchen Aufgabe bei Verstand bleiben oder fängt man irgendwann an, von den Toten zu träumen. Werden kleine Zwischenfälle schnell zu Katastrophen? Immerhin muss der junge Ingenieur während seiner Arbeit einige Erfahrungen machen, auf die er lieber verzichtet hätte. Anderseits gibt es auch Momente, die das Leben bereichern.

Beim Lesen erinnerte ich mich an die Szenerie, die in Victor Hugos " Die Elenden" geschildert wird, obwohl dieser Roman zeitlich etwas später angesiedelt ist. Doch die düsteren Gassen, die Armut, der Dreck und der Gestank (den man zum Glück nicht lesen kann) sollten sich in der relativ kurzen Zeit nicht gravierend verändert haben. So hatte ich beim Lesen immer Bilder vor Augen und fühlte mich in eine Stimmung versetzt, die vielleicht auch unseren Ingenieur befallen hat. In einer unbekannten Umgebung unsicher, doch vorgebend, sich der Sache sicher zu sein. Neugierig vielleicht, so sehr gefordert, mit einer Sehnsucht nach der frischen Luft der Heimat.

Ein sehr lesenswertes Buch, das dem Leser einen kleinen Teil der französischen Geschichte in eine Handlung gekleidet näherbringt, der es an Komödie und Tragödie nicht mangelt.