Historische Einblicke in das Lübeck der Kaiserzeit

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nessie6 Avatar

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„Frühlingstöchter“ nennen sich Nora, Fanny, Agnes und Lotte, die gemeinsam das Mädchenpensionat am Holstentor besuchen. Anna Perbandt nimmt uns in ihrem gleichnamigen historischen Roman mit ins Lübeck der Jahrhundertwende und erzählt vor der historischen Kulisse der Hansestadt, die der Konflikt zwischen persönlichem Glück und gesellschaftlichen Konventionen das Schicksal der vier jungen Frauen prägt.
Im Mittelpunkt der Handlung stehen mit der Komtess Nora und ihrer Lehrerin Gesche Petersen zwei starke junge Frauen, die ihrer Zeit voraus sind: Nicht nur mit ihrer direkten Art, sondern auch mit den Männern, zu denen sie sich hingezogen fühlen, setzen sie sich über die Gepflogenheiten der Kaiserzeit hinweg – insbesondere mit der Leitung des Pensionats ergeben sich dadurch wiederholt Konflikte, will diese doch ihre Schülerinnen zu tüchtigen Ehe- und Hausfrauen und nicht zu modernen, selbstständigen Frauen erziehen.
Der Schreibstil des Romans ist angenehm zu lesen und der historische Hintergrund, der Alltag im Pensionat und die Stadt Lübeck werden anschaulich dargestellt. Da die Gedanken und Sichtweisen von Nora und Gesche im Fokus stehen, sind ihre Handlungen während der Lektüre besonders nachvollziehbar. Allerdings fehlt mir, gerade wenn es um die zwischenmenschlichen Beziehungen geht, an manchen Stellen an Tiefe. Außerdem erschienen mir die Denkweisen der beiden in einigen Punkten fast schon zu modern und etwas unauthentisch (Das gilt übrigens auch für die Fotografie auf dem Cover, die meines Erachtens nicht so gut zur Handlung passt).
Bei den zentralen Motiven, die die Handlung prägen – nicht standesgemäße Liebe, Aufbegehren gegen gesellschaftliche Normen, jugendlicher Internatsalltag und Generationen-)Konflikte mit der Leitung – fehlt mir die besondere Note. An einigen Stellen ist die Geschichte dadurch etwas vorhersehbar, doch ich habe sie dennoch gerne gelesen, da mir das historische Setting gut gefallen hat und die Hauptfiguren sympathisch sind. Insgesamt ist Anna Perbandt damit ein schöner Roman gelungen, bei dem ich sicherlich auch die Fortsetzung lesen werde.