Lesenswerter historischer Roman

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holdesschaf Avatar

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Frühjahr 1899: Die junge Nora, Tochter aus adligem Hause, lebt auf dem Gut der Familie in Travemünde, wo sie viele Freiheiten genießt. Ihr Vater weilt in Italien, die Mutter ist schwermütig, deshalb kümmert sich ihr Bruder um sie. Als dieser geschäftlich nach Lübeck geht, muss quartiert er Nora dort kurzerhand in einem Pensionat für höhere Töchter ein. Diese steht dem skeptisch gegenüber, bis sie die Mitschülerinnen der Abschlussklasse kennenlernt. Fanny, die ein Stipendium hat, Lotte und Agnes wachsen ihr sehr schnell ans Herz und es gefällt Nora dort, auch wenn das Pensionat eher konservative Erziehungmethoden bevorzugt und sie Stallburschen Karl vermisst. Zum Glück werden die Mädchen von Gesche Petersen unterstützt, einer jungen, modernen Lehrerin, die auch das Herz von Noras Bruder im Sturm erobert. Immer wieder stoßen die jungen Frauen jedoch an die Grenzen gesellschaftlicher Konventionen.

Historische Romane lese ich nur selten, habe aber so viel Gutes über das Buch gehört, dass es auf meine Leseliste gewandert ist. Außerdem waren Internatsbücher früher meine Lieblingsbücher. Protagonistin Nora hat mir mit ihrer ungestümen, wissbegierigen Art auch gleich gefallen. Sie hat bei ihrem Bruder freien Zugang zur Bibliothek und hält auch zum Personal nicht die übliche Distanz. Auch die spannende Einführung von Gesche Petersen, die unbedingt eine Stelle als Lehrerin braucht, war fesselnd. Ganz anders als die engagierte Lehrerin ist die Leiterin des Pensionats, die hier oft aus finanziellen Gründen oder wegen des Rufs Entscheidungen trifft und Gesche kritisch gegenübersteht. Die Entwicklungen der Charaktere und die Wendungen haben mich sehr gut unterhalten und als vor allem als Leserin fiebert man hier mit den jungen Frauen mit, die immer wieder an die Grenzen der gesellschaftlichen Konventionen stoßen.

Der Schreibstil ist an die damalige Zeit angepasst, lässt sich aber dennoch leicht und flüssig lesen. Langeweile kam hier nicht auf. Insgesamt ist das Buch eine gute Mischung aus historischen Hintergründen, einer bewegenden Freundschaftsgeschichte unter jungen Frauen, die unterschiedliche Träume für ihre Zukunft haben und gefühlvoller Liebesbeziehungen, die jedoch in dieser Zeit auf Kritik stoßen. Vor allem die Zwänge und die Fremdbestimmtheit, unter denen die weiblichen Charaktere leiden und gegen die sie zunächst leise ankämpfen, sind sehr gut geschildert und rufen bei mir Mitgefühl hervor. Ich bin jetzt neugierig auf den zweiten Band der Reihe und hoffe, dass sich die fünf Frauen im darin noch etwas mehr von all dem lösen und selbst verwirklichen können. 5 Sterne