Pensionatsgeschichte - Für mich Lesegenuss

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Auf den ersten Seiten hatte ich Internatsszenen aus „Trotzkopf“ vor Augen. Dieser Backfischroman, der zur ähnlichen Zeit spielt wie „Frühlingstöchter“ und in dem die jugendliche Protagonistin, der Wildfang Ilse, auch vom Gut mit Pferden in ein Mädchenpensionat für die Erziehung zur jungen Dame geschickt wird.

Die Grafentochter Nora stammt aus Travemünde und wird von ihrem Bruder Henry für die Abschlussklasse ins Pensionat nach Lübeck geschickt. Zuvor wurde sie zuhause unterrichtet und hat sich durch den unbeschränkten Zugriff auf die Gutsbibliothek umfangreiches Wissen, weil sie interessiert hat diese Bücher zu lesen, angeeignet. Mir hat Nora sehr gut gefallen, weil sie das Herz auf dem rechten Fleck hat und in ihre Umgebung schaut. So weiß sie vom Gut, dass sie in einer privilegierten Lage ist, es gibt Personal und man versucht ihr anzuerziehen, dass die Spielkameraden in der Kindheit aus dem Dienstbotentrakt i.O. sind, jedoch in der Pubertät Distanz aufzubauen sei. Für Nora ist dies der gleiche Mensch geblieben und Herzenswärme hat sie von der Köchin bekommen, nicht von ihrer Mutter.

Ihr Bruder trägt früh eine große Verantwortung, da der Vater der beiden Grafenkinder sich im Ausland amüsiert, die Mutter zurückgezogen lebt, muss er sich um Gut und Familie treffen und alle Entscheidungen treffen.

Noras drei Mitschülerinnen, Kaufmannstochter Agnes, Senatorentochter Lotte und Stipendiatin Fanny, ergänzen gut ihr Naturell und Temperament und diese vier Freundinnen bilden den Bund der Frühlingsschwestern. Der Frühling steht für Erneuerung und Aufbruch, wie passend zu Beginn des 20. Jahrhunderts, in dem Frauen allmählich versucht haben, als denkende und auch gebildete Frauen wahrgenommen zu werden. Mädchen in diesen Kreisen wurden in die Gesellschaft eingeführt und die Eltern schauten schon früh nach passenden Heiratskandidaten. Geld zu Geld, Name oder Titel zueinander passend, Geschäftsverbindungen unterstützend. Liebe/ Zuneigung zählte in diesen Familien kaum, die Frau sollte doch glücklich sein, in einem schönen Haus umgeben von vielen Kindern, an der Seite eines hoch anerkannten Geschäftsmannes oder Adligen leben zu können. War der Mann der Ehefrau überdrüssig, dann schaute er sich eben fürs Vergnügen nach anderen Damen um, das hatte mit seiner Ehe nichts zu tun.

Die junge Lehrerin Gesche, aufgewachsen auf dem Meer als Kapitänstochter, übt ihren Beruf sehr gern aus. In Noras Pensionat tritt sie ihre erste Stelle an. Sie ist weltoffen und hat erkannt, dass Bildung in aller Hinsicht ein Schatz und eine Chance ist. So dringt sie auch darauf und versteht die Mädchen, dass die Unterweisung mit Nadel und Faden schön und gut ist, doch Bildung auch in den Naturwissenschaften wichtig ist.

Ich habe diesen Roman SEHR gern gelesen. Ich mochte immer schon Internatsgeschichten und Trotzkopf war als Kind wohl meine erste Begegnung mit einem Buch, dass zu dieser Zeit spielt. Gewissermaßen war dies mein erster hist. Roman und Jahrzehnte später ist dies mein bevorzugtes Lesegenre. Ich hatte damals auch keinen Zweifel daran, dass es eine alte Erzählung war, da ich als Grundschülerin unbedingt die Frakturausgabe der Großmutter und nicht das für mich gekaufte Exemplar lesen wollte.

Sehr freue ich mich, dass zumindest eine Fortsetzung der Holstentor-Reihe angekündigt ist, ich kann mir noch viel Lesespaß auch durch weitere Fortsetzungen vorstellen. Sehr angenehm fand ich die Unterteilung des Buches in viele Kapitel, was zwangsläufig verleitet, mich zumindest, schnell noch weiterzulesen. Leseempfehlung und volle Punktzahl.