Ein Glücks-Roman als Mutmacher?

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raeubertochter76 Avatar

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Ich beschäftige mich ja gerade sehr viel mit dem Thema Glück, daher hat mich dieses Mal insbesondere der Titel dieses Buches direkt angesprochen. Meine bisherigen Lektüren dazu gingen eher in Richtung Sachbuch, daher erschien mir ein Roman über die Thematik als willkommene Abwechslung.
Das Cover wirkt fröhlich bunt, könnte damit aber die interessierte Leserin in die Irre führen, denn es lässt keinerlei Vorahnung auf die tragische Geschichte aufkommen, die sich zwischen den Klappendeckeln verbirgt. Die Inhaltsbeschreibung verweist zwar auf einen schweren Unfall, bleibt ansonsten aber wage. Bevor man das Buch gelesen hat, sieht man einfach nur eine junge Frau, die ihre Arme den fliegenden Blättern und dem Himmel entgegenreckt, mit schwingendem Rock und angewinkeltem Bein. Man sieht das eine Bein, auf dem sie steht und geht automatisch davon aus, dass das andere angewinkelt sein muss. Doch es gäbe noch eine andere Antwort, nicht wahr?
Der Sprachstil hatte mich schon in der Leseprobe überzeugt. Aber insbesondere waren es die Charaktere von Heidi und ihrer Großmütterlichen Zimmergenossin Maud, die es mir angetan hatten.
Heidi ist Schauspielerin in London. Oder zumindest versucht sie es. Denn während ihre Schauspielerkolleg*innen die Arbeit in der Bar als Aushilfsjob ansehen und kommen und gehen, gehört sie als Kellnerin mittlerer Weile zum Stammpersonal.
Ein Unfall, bei dem sie ihren rechten Unterschenkel verliert, wirft sie – verständlicher Weise – völlig aus der Bahn. Das Buch handelt nun von dem Prozess, wie sich Heidi ins Leben zurückkämpft. Was mich positiv überrascht hat, war, dass die Autorin die psychische Belastung aller involvierten Personen darstellt, mit einem solchen Schicksalsschlag fertig zu werden. Also was es für Familie und Freunde bedeutet. Da wären zunächst erstmal natürlich ihre Eltern, die versuchen, trotz Rentenalter für ihre Tochter ein weiteres finanzielles Polster aufzubauen. Oder ihre Schwester, die in Kürze heiraten will und deren Pläne nun selbstverständlich auch vollkommen über den Haufen geworfen werden. Besonders ausführlich werden die Probleme ihres besten Freundes und Mitbewohners geschildert. Aber auch der Mann, der versucht hat, ihren Sturz zu verhindern wird weiter in die Geschichte eingebaut.
In der Reha lernen wir Heidis Zimmergenossin kennen, die 80jährige Maud. Mit ihrem Enkel Jack bahnt sich für Heidi der Anflug einer Liebesgeschichte an, die für mich jedoch unvollendet bleibt und daher eher etwas gestört hat. Aber die Schilderungen der Reha, der Tagesabläufe und Personen dort, waren sehr anschaulich und interessant.
Beim Lesen habe ich mich immer wieder gefragt, wie es die Autorin schafft, die Gefühle und Gedanken der Charaktere so unglaublich authentisch darzustellen. Daher fand ich es besonders toll, dass es am Ende des Buches noch ein Interview mit ihr gibt. Darin erfährt man nämlich, dass sie selbst bei einem Unfall ein Bein verloren hat. Es steckt also sehr viel von Ella Dove in Heidi.
Fazit:
Die Autorin schildert unglaublich einfühlsam den Prozess von Heidis physischer und psychischer Genesung und beschränkt sich dabei nicht nur auf die Hauptfigur. Die Geschichte schafft es, die tausend Alltagsprobleme, mit denen wir uns tagtäglich herumschlagen, zu relativieren und sie viel kleiner und weit weniger wichtig erscheinen zu lassen. Für mich hat sich der Roman als kleiner Mutmacher entpuppt.
Also eine klare Leseempfehlung.