Kein Wohlfühlroman für mich

Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern Leerer Stern
lust_auf_literatur Avatar

Von

Der neue Roman von Takis Würger „Für Polina“ wird vermutlich DER neue Dauerbrenner, der die nächsten Wochen unsere Feeds beherrscht.

Ich würde mal sagen, es besteht kein Zweifel daran, dass „Für Polina“ ein sehr guter Roman ist, der Feuilleton und Leser*innen gleichermaßen gefallen wird.
Auch ich hatte zweifellos mit dem neuesten Roman des Leipziger Schriftstellers Takis Würger eine gute Lesezeit, trotzdem hat mich das Buch nicht zufrieden gemacht.
Es sind zum größten Teil meine eigenen, verdrehten Empfindungen, die mich den Roman mit kritischen Augen betrachten lassen.

Dabei macht Würger wirklich alles richtig. Die Geschichte wird aus der Perspektive des Klavierwunderkindes Hannes Prager erzählt, der mit seiner alleinerziehenden Mutter in einer alten Villa bei einem väterlichen Freund aufwächst. Zu dem Trio stößt dann die titelgebende Polina mit ihrer ebenfalls alleinerziehenden Mutter.
Der jungen Hannes und die junge Polina verbringen viel Zeit miteinander, haben eine gute Kindheit und Jungend in der Villa am Moor, die allerdings abrupt endet, als Hannes Mutter viel zu früh und unerwartet stirbt.
Die kleine Wahlfamilie wird auseinandergerissen und Hannes und Polina verlieren sich aus den Augen.
Habe ich schon erwähnt, dass Polina für Hannes die große Liebe ist? Natürlich, weil ihre Haare nach Pfirsich duften, was sogar an zwei Stellen erwähnt wird.

Okay, und schon werde ich zynisch.
Sorry, aber wenn der Duft von Mädchenhaar nach Kaugummi, Erdbeeren oder Whatever erwähnt wird, bin ich sofort raus. Gefühlt gelesen in JEDEM male Coming-of-age Roman.

Leider neigt Würger des Öfteren zu Formulierungen, die ich eigentlich anderen Genres zuordnen würden

“An ihr Gesicht, in dem von allem ein wenig zu viel zu sein schien - die Lippen zu voll, die Augen zu groß, die Wangenknochen zu stark, die Augenbrauen zu dicht - und das zusammengenommen trotzdem einfach perfekt war.”

Oh Boy….

Würger, der mit „Für Polina“ bereits seinen 5. Roman veröffentlich versteht auf jeden Fall sein Handwerk. Er arbeitet Hannes Geschichte und Lebensweg mit vielen Details und wiederkehrenden Motiven perfekt aus, das macht beim Lesen natürlich große Freude. Auch die Nebenfiguren sind mit viel Charakter und und Individualität liebevoll bis ins letzte ausgefeilt.
Aber mir persönlich ist das alles viel zu smooth, zu cozy und zu eindimensional. Es gibt keine Abgründe, keine dunklen Ecken, alles ist mir viel zu hell ausgeleuchtet und es duftet alles viel zu heimelig nach Pflaumen und Zimttee.
Den Schluss des Romans finde ich zwar wirklich sehr gelungen, aber auch hier erkenne ich Würgers Absicht zu deutlich, um mich nicht offensichtlich manipuliert zu fühlen.

Aber wenn du nach einem runden Roman mit sympathischen Figuren und einer Liebesgeschichte suchst, ist der neue Takis Würger auf jeden Fall ein Buch für dich.

„Für Polina“ fällt für mich eindeutig in die Kategorie Wohlfühlroman, und als solchen kann ich ihn dir wirklich sehr empfehlen.,
Um mich persönlich jetzt aber mit dem Roman wirklich wohlzufühlen, haben mich einfach die Kritikpunkte zu sehr gestört.