Wenn Gangster den Blues schieben

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la tina Avatar

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Joe Bausch, seit knapp dreißig Jahren Anstaltsarzt in der Justizvollzugsanstalt Werl, einem Hochsicherheitsgefängnis für gefährliche Verbrecher, hat in seinem Job bereits viel erlebt und gesehen. Während ihrer Zeit im Gefängnis haben die Insassen viel Zeit, sich mit ihren Taten bzw. ihren Zunkunftsaussichten auseinander zu setzen. Einige von ihnen suchen jemanden zum Reden – und Joe Bausch hört ihnen zu. Über ihre Tatmotive, die Taten anderer sowie die Freude oder Angst, nach langer Zeit in eine ihnen mittlerweile fremde Welt entlassen zu werden. Aus diesen Geschichten hat Joe Bausch zwölf ausgewählt und nun ausreichend verfremdet in einem Buch zusammengefasst. Dabei merkt man schnell, dass der Autor sich wirklich für die Gefangenen interessiert. So handeln die Geschichten von Schuld und Unschuld, Reue und Gewalt und Zukunftsängten, welche sogar den Tod zur erträglicheren Option werden lassen. Aber auch von Justizirrtum, dem Verhalten der Gefängnisinsassen untereinander, von Sonderwünschen Einzelner, gutbezahlten Anwälten und der Gewalt gegenüber weiblichem Personal wird erzählt.
Die Geschichten sind ungeschönt, das merkt man beim Lesen schnell. Ebenso, dass sich Joe Bausch wirklich für die Betroffenen und deren Geschichten interessiert, dabei aber seinen Job stets im Auge behält. Er versucht, neutral zu bleiben, zu helfen, wo er kann, verweigert aber Tätigkeiten, die mit seinem Medizinerethos nicht vereinbar sind. Mir hat das Buch sehr gefallen, dieser Einblick in die Welt der Schwerverbrecher – und bin froh, nicht selbst mit dieser Welt konfrontiert zu werden. Sehr schade war nur, dass das Buch nach der zwölften Geschichte einfach abbrach, ohne ein Nachwort des Autors, welches das Buch nochmal abgerundet hätte.