Eine gelungene Hommage an Thomas Mann
Tilo Eckardt versetzt die Lesenden in seinem Roman „Gefährliche Betrachtungen“ gekonnt in das Sommerfrische-Gefühl der 30er Jahre an der litauischen Ostsee auf der kurischen Nehrung. Kinder lassen sich am Ostseestrand von den leckenden Wellen jagen, Kurenkähne dümpeln auf dem Haff und dazwischen lädt dichter Kiefernwald zu ausgedehnten Spaziergängen ein. Der junge Deutsch-Litauisch-Übersetzer und Ich-Erzähler der Geschichte Miuleris, von Mann später Müller genannt, wird von seiner Wirtin in schwarzem Kleid und weißer Schürze mit dem litauischen Nationalgericht „Cepelinai“ und Kornwodka verwöhnt. Und Thomas Mann, der große Schriftsteller, sitzt mit nackten Beinen, aber Strümpfen mit Strumpfhaltern im Strandkorb in der Nähe seines frisch vom Nobelpreisgeld erworbenen Sommerhauses und arbeitet. Davon liest man in einer Sprache und Rechtschreibung, die an diejenige von Thomas Mann angelehnt ist, denn auch auch hier erleiden die Menschen einen „Choc“ und rüsten sich gegen die Kühle am Abend mit einem „Shawl“. Ein solcher hilft allerdings nicht gegen die aufziehende politische Kälte, die sich im Buch erstmals durch eine Gruppe am Strand auflaufender Jungen bemerkbar macht, „sportlich alert“ und„mit militärischer Präzision Aufstellung für eine Art Wehrspiel“ nehmend. Ihr Anführer nutzt eine kurze Begegnung mit Mann, um ihm in einer kleinen Ansprache über die Schmach von Versailles und die Verbindung von Kunst, Volk und Nation für sein Werk zu danken, irrtümlich glaubend, einen ideell Verbündeten vor sich zu haben.
Damit ist der Boden bereitet für die vom Autor inszenierte schicksalhafte Begegnung zwischen Mann und Müller: Ein Windstoß wirbelt Manns Notizen hoch und Müller, der in der Nähe auf eine zufällige Begegnung mit seinem Idol gehofft hat, fängt sie und bringt sie ihm zurück. Das allein wäre natürlich absolut unspektakulär, wenn es sich dabei nicht um eine erste Verschriftlichung von Manns in Wahrheit antinationalsozialistischen und damit hochbrisanten Gedanken für eine geplante Überraschungsrede handeln würde, die Müller mit seinem „photographischen“ Gedächtnis beim Einsammeln blitzschnell memoriert, aus dem Gedächtnis niederschreibt und diese Niederschrift noch am selben Abend ungünstigerweise im Gasthaus verliert. Ab da muss nämlich das Team Mann und Müller, die sich selbst in der Geschichte gern mit Holmes und Watson vergleichen, gemeinsam ermitteln und in deren Manier vom Ermittelten deduzieren, wer aus welchen Motiven die Blätter an sich genommen haben könnte. Dabei folgt das Tempo der Ermittlung dem erzählerischen Fortschreiten in den großen Mann-Romanen: Eher gemächlich, dem strikten Tagesablauf des Schriftstellers angepasst, gehen die Entwicklungen voran und beleuchten en passant die verschiedenen menschlichen Bedürfnisse und Abgründe dieser wie vermutlich aller Zeiten. Den dramatischen Todesfall, in den das Ganze mündet und der gleich auf den ersten Seiten als Köder gesetzt wird, hätte die Geschichte dabei gar nicht benötigt. Denn wer von einem Kriminalroman erwartet, dass man mit fiebrig glänzendem Gesicht und schweißnassen Händen hektisch Seite um Seite weiterblättert, nimmt mit diesem Buch, ob mit oder ohne Todesfall, nicht das richtige in die Hand. Wer sich aber aus einer neuen Perspektive heraus wieder einmal oder vielleicht auch erstmalig mit Mann, seinem Leben, seiner Zeit und vor allem seiner antinationalsozialistischen Haltung und den Anfängen seiner Positionierung in der Weimarer Republik auseinandersetzen möchte, sollte diesen Roman unbedingt lesen, der mit den abschließenden Anmerkungen des Autors über die kreative Form einer rein rückblickende Hommage an Thomas Mann hinausgeht. Denn der Autor endet mit einem Zitat von Thomas Mann, das in seinen Augen die größte Gefahr auch der heutigen Zeit zusammenfasst: „Zivilisation, Freiheit, Vernunft, Demokratie und Frieden… es ist damit allein kein Hund mehr vom Ofen zu locken. Sehr viele Menschen, und die dümmsten nicht, empfinden den ganzen Komplex von Idealen als farblos, fade und abgestanden.“
Damit ist der Boden bereitet für die vom Autor inszenierte schicksalhafte Begegnung zwischen Mann und Müller: Ein Windstoß wirbelt Manns Notizen hoch und Müller, der in der Nähe auf eine zufällige Begegnung mit seinem Idol gehofft hat, fängt sie und bringt sie ihm zurück. Das allein wäre natürlich absolut unspektakulär, wenn es sich dabei nicht um eine erste Verschriftlichung von Manns in Wahrheit antinationalsozialistischen und damit hochbrisanten Gedanken für eine geplante Überraschungsrede handeln würde, die Müller mit seinem „photographischen“ Gedächtnis beim Einsammeln blitzschnell memoriert, aus dem Gedächtnis niederschreibt und diese Niederschrift noch am selben Abend ungünstigerweise im Gasthaus verliert. Ab da muss nämlich das Team Mann und Müller, die sich selbst in der Geschichte gern mit Holmes und Watson vergleichen, gemeinsam ermitteln und in deren Manier vom Ermittelten deduzieren, wer aus welchen Motiven die Blätter an sich genommen haben könnte. Dabei folgt das Tempo der Ermittlung dem erzählerischen Fortschreiten in den großen Mann-Romanen: Eher gemächlich, dem strikten Tagesablauf des Schriftstellers angepasst, gehen die Entwicklungen voran und beleuchten en passant die verschiedenen menschlichen Bedürfnisse und Abgründe dieser wie vermutlich aller Zeiten. Den dramatischen Todesfall, in den das Ganze mündet und der gleich auf den ersten Seiten als Köder gesetzt wird, hätte die Geschichte dabei gar nicht benötigt. Denn wer von einem Kriminalroman erwartet, dass man mit fiebrig glänzendem Gesicht und schweißnassen Händen hektisch Seite um Seite weiterblättert, nimmt mit diesem Buch, ob mit oder ohne Todesfall, nicht das richtige in die Hand. Wer sich aber aus einer neuen Perspektive heraus wieder einmal oder vielleicht auch erstmalig mit Mann, seinem Leben, seiner Zeit und vor allem seiner antinationalsozialistischen Haltung und den Anfängen seiner Positionierung in der Weimarer Republik auseinandersetzen möchte, sollte diesen Roman unbedingt lesen, der mit den abschließenden Anmerkungen des Autors über die kreative Form einer rein rückblickende Hommage an Thomas Mann hinausgeht. Denn der Autor endet mit einem Zitat von Thomas Mann, das in seinen Augen die größte Gefahr auch der heutigen Zeit zusammenfasst: „Zivilisation, Freiheit, Vernunft, Demokratie und Frieden… es ist damit allein kein Hund mehr vom Ofen zu locken. Sehr viele Menschen, und die dümmsten nicht, empfinden den ganzen Komplex von Idealen als farblos, fade und abgestanden.“