Slow reading Genuss

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casanni Avatar

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Ein litauischer Übersetzer mit einem fotografischen Gedächtnis namens Miuleris setzt alles daran, Thomas Mann kennen zu lernen, um seine Werke ins Litauische zu übersetzten. Aus Unachtsamkeit gehen ihm höchst brisante, politische Anmerkungen Mann’s verloren, die, sollten sie angesichts der Machtübernahme der NSDAP in falsche Hände gelangen, möglicherweise zu schwerwiegenden und gefährlichen Konsequenzen führen. Bei dem Versuch der Wiederbeschaffung dieser Dokumente, bewegt sich der Übersetzer recht tollpatschig von einem Fettnäpfchen zum nächsten, und auch wenn die Ereignisse zum großen Teil als absurd zu bezeichnen sind, so bleibt die Geschichte doch immer höchst amüsant. Gleichzeitig versichert Herr Miuleris direkt zu Beginn, dass weder seine eigene Existenz noch die sich ergebende Geschichte im wahren Leben von Thomas Mann nachweisbar sind. Und so taucht der Leser in eine Mischung aus Fiktion und Wahrheit ein, die viel Aufschluss über Thomas Mann, die Künstlerkolonie Nidden in der Kurischen Nehrung und die Atmosphäre in dieser Zeit gibt.

Tilo Eckardt schreibt im Stil der 1930er Jahre und gerade diese Sprache macht das Leseerlebnis besonders und zu einem ‚slow reading‘ Genuss - nebenbei zeigt es auch deutlich, dass sich Sprache im Laufe der Zeit verändert. So mancher, der sich über sprachliche Veränderungen echauffiert, sollte mal Klassiker lesen.

Und schließlich, wie der Autor in den Anmerkungen am Ende des Buches schreibt, sind Parallelen zur heutigen Zeit in 2024, mit aller Vorsicht bei historischen Analogien, doch nicht gänzlich von der Hand zu weisen. Wollen wir Freiheit, Zivilisation, Demokratie und Frieden wahren, so müssen wir uns positionieren.