Verwirrende Betrachtungen

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yaltur Avatar

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"Gefährliche Betrachtungen" hat Thilo Eckhardt das Buch betitelt, in dem er den litauischen Übersetzer Zydrunas Miuleris über ersehnte und reale, unmittelbare und erinnerte Begegnungen mit Thomas Mann erzählen und refelektieren lässt. Als "gefährlich" erscheinen diese Betrachtungen dort, wo die sich ausbreitetende nationalsozialistische Gesinnung - nicht nur - für Thomas Mann bedrohlich wird und Widerspruch, Widerständigkeit provoziert. Doch auch wenn dieser schwerwiegende Konflikt als das zentrale Moment des "Falls Thomas Mann" (Untertitel) eingeführt und in unterschiedlichen Szenen - mitunter sehr eindrücklich - thematisiert wird, scheint es weder darum zu gehen eine zeitgeschichtliche Analyse noch eine politische Botschaft zu vermitteln.
Doch, anders als es der Untertitel behauptet, ist es auch kein "Kriminalroman". Zwar kommt es zu einigen kleineren und größeren Vergehen oder gar Verbrechen. Und Thomas Mann und Miuleris alias Müller versuchen sich als Sherlock Holmes und Doctor Watson. Doch der Leser kann keinem wahrnehmbaren Spannungsbogen folgen.
Vielmehr scheint das Buch dazu einzuladen, sich durch unterschiedlichen Szenen und Beschreibungen Thomas Mann, seiner Familie und seiner Zeit sowie dem Haff in der Kurischen Nehrung anzunähern - und der etwas eigenwilligen Gedanken- und Gefühlswelt des Ich-Erzählers und/oder des Autors.
Dies hat den Charakter von "verwirrenden Betrachtungen". Wenn man sich darauf einlässt, gelingen leicht kleine Fluchten aus dem Alltag.
Wer hin und wieder gerne auf dem Rücken in den Dünen liegt und sich von Wolkenbildern erinnern, anregen und entspannen lässt, dem sei dieses Buch als winterliche Alternative empfohlen.