Erkenntnisreich

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regenprinz Avatar

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Die ungewöhnlich ergreifende Leseprobe hatte mich damals überzeugt, dieses Buch unbedingt lesen zu wollen. Jetzt, da ich es kenne, denke ich, dass mein erster Eindruck richtig war. Es hat sich gelohnt, auf den Inhalt aufmerksam zu werden.
Bücher wie dieses finde ich wichtig, aber sie sind rar. "Gegen alle Regeln" ist ein treffender Titel, denn die Lektüre entzieht sich irgendwie jeder Zuordnung - es ist kein Roman, keine typische Geschichte, keine rein autobiographische Erzählung. Für mich ist es schlicht ein gleichermaßen engagierter wie verzweifelter Versuch, das Leben zu verstehen, das leider nur seinen ganz eigenen, unergründlichen Regeln folgt, wie die Autorin auf tragische Weise feststellen muss. Das eigene Leben lässt sich mitunter sehr lange auf nahezu perfekte Weise steuern - und dann plötzlich überhaupt nicht mehr. Und man merkt, dass man einem fatalen Irrtum aufgesessen ist, indem man jahrelang glaubte, alles im Griff zu haben ...
Die Ereignisse, die Ariel Levy schildert, fand ich eindrucksvoll dargestellt. Sie geht sehr schonungslos mit sich ins Gericht - sucht nach eigener Schuld, nach Fehlern, nach möglichen Erklärungen. Am Ende bleibt die schlichte Erkenntnis, dass man eben mitunter nicht alles haben kann, das man haben will - auch wenn einem genau dieses ein ganzes Leben lang eingetrichtert wurde. Eine zerbrochene Ehe lässt sich nicht mehr kitten, ein totes Baby wird nicht wieder lebendig. Mit Liebe und Verlust, mit der Unabwägbarkeit des Daseins muss man leben bzw. es lernen. Denn ändern kann man es nicht, egal, wie verzweifelt man es sich wünscht.
In Levys Buch habe ich nebenbei viel Spannendes über den Alltag und die Arbeit einer erfolgreichen Kulturjournalistin erfahren, sowie interessante Einblicke in homosexuelle Lebenswelten erhalten. Ihre Ehrlichkeit in allen Belangen hat mich wirklich beeindruckt.
In einem Roman mit Happy End wäre die Hauptfigur am Ende des Buches vielleicht mit dem einfühlsamen Arzt aus der Mongolei in den südafrikanischen Sonnenuntergang geritten und im Rückblick hätte alles, was geschehen ist, einen positiven Sinn bekommen. Aber das Leben ist eben kein Roman. Manche Fragen werden in Zukunft vielleicht noch gelöst werden - aber manches wird wohl für immer rätselhaft, schmerzvoll und unverständlich bleiben.