Bericht, Krimi & Klassiker

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Heute am Morgen habe ich den Kriminalroman „Geheimnis in Rot“ von Mavis Doriel Hay beendet. Dieses Buch ist am 14.10. im Klett-Cotta-Verlag erschienen und ich habe es glücklicherweise auf Vorablesen gewonnen. An dieser Stelle danke an das Vorablesen-Team!

Tante Mildred hat es schon immer geahnt: Die Verwandtschaft an Weihnachten zu versammeln ist keine gute Idee. Als der Familienpatriarch mit einer Kugel im Kopf gefunden wird, entbrennt an der festlichen Tafel ein Streit um sein Erbe. Dieser neuentdeckte Klassiker von Mavis Doriel Hay ist ein Muss für alle Krimifans und perfekt geeignet, von den eigenen Familiendramen an Weihnachten abzulenken. Das traditionelle Familienfest im Hause Melbury beginnt wenig beschaulich, als Sir Osmond von einem als Weihnachtsmann verkleideten Gast ermordet aufgefunden wird. Die Trauer der anwesenden Verwandtschaft hält sich jedoch in Grenzen, da Sir Osmond ein beträchtliches Erbe hinterlässt. Jedes der eingeladenen Familienmitglieder zieht seinen Nutzen aus dem Tod des Patriarchen – nur der Weihnachtsmann, der genug Gelegenheiten hatte, den alten Herrn ins Jenseits zu befördern, besitzt kein Motiv. Inmitten von Missgunst, Verdächtigungen und Abscheu stellt sich schließlich heraus: Es kann nicht nur einen verkleideten Weihnachtsmann gegeben haben.

Das erste, was mir bei diesem Buch aufgefallen ist, ist das unfassbar niedliche Aussehen und das sehr schön weihnachtlich angehauchte Cover. Doch da das Aussehen im Vergleich zum Inhalt nicht ausschlaggebend für mich ist, bin ich leider nicht ganz so begeistert, wie meine Coverbeschreibung vermuten lässt.
Die Geschichte startet zu Beginn mit einer Art Vorstellungsrunde, wobei dem Leser lang und ausführlich die verschiedensten Figuren des Romans vorgestellt werden. Mir persönlich viel der Einstieg in dieses Buch gerade deshalb sehr schwer, denn so viele Namen kann sich kein Mensch auf einmal merken. Generell hatte ich das gesamte Buch über Probleme damit, mir zu merken, wer welche Person war, da diese mal mit Vor-, mal mit Nachnamen oder sogar nur mit Kürzel betitelt wurden. Hier hätte ich mir definitiv einen leichteren Einstieg für den Leser gewünscht.
Insgesamt würde ich sagen, dass es sich bei „Geheimnis in Rot“ um eine interessante, zwar neue, aber auch gewöhnungsbedürftige Mischung aus Bericht, Kriminalroman und Klassiker handelt.
Der Stil eines Berichts kommt dadurch zustande, dass durchweg sehr auf Fakten und nicht auf viele Gefühle geachtet wird und der Großteil der Geschichte aus der Sicht von Colonel Halstocks Berichten erzählt wird – ein Inspektor, der bei seinen Ermittlungen natürlich nicht auf die Gefühle der Betroffenen oder mutmaßlichen Täter achtet. Aber ebendiese Gefühle haben mir sehr gefehlt, da ich durch diese trockene, kurze Berichtart keine Nähe zu den Charakteren aufbauen konnte. So war ich zwar neugierig darauf, wer die Tat begangen hatte, aber ich habe nicht gebangt und gezittert um meine Lieblingscharaktere, gehofft, dass der Täter schnell gefunden wird, und so weiter und so fort.
Dass „Geheimnis in Rot“ ein Kriminalroman ist, steht außer Frage. Jedoch würde ich sagen, dass dieser Kriminalroman auf jeden Fall etwas von einem Klassiker beinhaltet. Die Geschichte spielt vermutlich irgendwann im 20. Jahrhundert – dementsprechend sind Sprache, Verhalten, Vorgehen der Polizei etc. auf diese Zeit angepasst. Der Stil eines Klassikers, der sich mit den Krimielementen vermischt, ist meiner Meinung nach sehr lesenswert, da die eigentlich nicht wirklich besondere Geschichte sich so von den abertausenden Krimis dieser Welt absetzt.
Ebenfalls mit dieser interessanten Mischung zusammenhängend ist, dass es sich – aus meiner Sicht glücklicherweise – nicht um einen blutigen Krimi handelt. Passend zu der gehobenen Schicht aus diesem Buch, die den Mord am liebsten verdrängen würde, wird hier der Fokus auch nicht auf die Tat an sich gelegt. Vielmehr wird Wert darauf gelegt, wie es mit den Ermittlungsarbeiten vorangeht und wie Schritt für Schritt der Fall gelöst wird. Mir hat dies prinzipiell sehr gut gefallen, da man als Leser selbst eng an den Ermittlungen „beteiligt“ sein konnte. Der Kriminalroman ist daher eher für Leser geeignet, die sich schnell gruseln und eher gemütliche Krimis suchen, die man an einem langen Winterabend mit einer warmen Tasse Tee lesen kann.
Gestört hat mich inhaltlich, dass die Ermittlungen die ganze Zeit auf der Stelle treten, da die Charaktere sowieso lügen, wichtige Details verschweigen oder generell nicht an der Aufklärung des Mordes interessiert zu sein scheinen. Wie soll der Leser so miträtseln können?
Zum Schreibstil lässt sich sagen, dass die Wortwahl natürlich in Anlehnung der damaligen Zeit entsprechend gestelzt und gehoben ist. Meiner Meinung nach ist „Geheimnis in Rot“ noch dazu sehr langatmig geschrieben, weshalb ich nur sehr stockend und langsam vorangekommen bin.
Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass die Auflösung der Tat zwar unvorhersehbar ist, da dies im Laufe des Romans immer sehr undurchsichtig bleibt. Jedoch ist es so, dass das Ende mich trotzdem nicht schockieren oder emotional aufwühlen konnte, - wie oben erwähnt - aufgrund der fehlenden Emotionalität und Nähe zu den Charakteren.
Alles in allem halte ich „Geheimnis in Rot“ für einen mittelmäßigen Kriminalroman. Viele, viele Aspekte haben mich an diesem Buch begeistert, viele andere eben auch nicht. Insgesamt hätte ich für eine richtig fesselnde Geschichte noch mehr von dem Roman erwartet.
An dieser Stelle noch einmal vielen lieben Dank an das Vorablesen-Team für das tolle Leseexemplar!