Nett, aber nicht lebendig genug

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joodie Avatar

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Vorweg muss ich sagen, dass ich eigentlich keine Krimileserin bin. Ich bin absolut kein Fan von Grausamkeit und brutalen Szenen und Bildern und generell bevorzuge ich positive, erhebende Lektüren. Nun ja, an diesem Buch hat mich aber gereizt, dass es schon so alt ist und als Klassiker des Goldenen Zeitalters der britischen Kriminalliteratur angepriesen wurde. Aufgrund des Alters war ich mir auch ziemlich sicher keine besondere Brutalität à la Stieg Larsson oder Simon Beckett befürchten zu müssen.

Insgesamt hat mir das Buch auch ganz gut gefallen. Aufgrund des Settings hatte ich zum Anfang ein wenig das Gefühl, Cluedo als Buch in den Händen zu halten. Ein großes Herrenhaus, eine Familie, in der jeder so seine kleinen Geheimnisse hat, ein Mord. Mir hat auch der Aufbau gefallen, zunächst liest man nämlich in Berichten, die einige Angehörige später für die Polizei verfasst haben, über die Geschehnisse vor der Tat. Den Rest des Buches über berichtet dann größtenteils Colonel Halstock von den Ermittlungen. Es wirkt also die meiste Zeit wirklich so, als würde man dem Colonel bei der Arbeit über die Schulter gucken. So ist man eigentlich auch immer mit ihm auf dem gleichen Wissensstand und kann mitraten.

Allerdings fand ich die Figuren alles in allem recht blass. Ja, man lernt sie schon ein bisschen kennen, anfangs durch die Berichte, dann durch die Gespräche mit dem Colonel. Aber man kann nicht in ihre Köpfe hineinschauen. Und schon gar nicht in den Kopf des Täters. Tatsächlich bin ich nicht auf den Täter gekommen, die Auflösung kam dann recht abrupt, ich glaube, man hätte auch nicht von alleine drauf kommen können. Die Spuren führen in alle möglichen Richtungen, doch die Beweise, die dann auf den Mörder zeigen, werden erst in der Auflösung so richtig aufgezählt.

Alles in allem war es eine ganz nette Lektüre und zuweilen schon spannend, weil man endlich wissen wollte, wer es denn war. Aber insgesamt war mir die Geschichte zu nüchtern und chronologisch, ich hätte gerne mehr aus Sicht der einzelnen Figuren erfahren, auch aus Sicht des Täters. Aber ich denke, zu der Zeit, als dieses Buch geschrieben wurden, waren halt psychologische Kriminalromane auch noch nicht in Mode.

Außerdem fand ich es schade, dass das Buch ab etwa der Hälfte zunehmend Tippfehler und andere Fehler aufwies. An einer Stelle zum Beispiel redet Jenny von Sir Osmond als Großvater, dabei ist er ihr Vater. Außerdem scheint mir der Plan vom Haus direkt auf der Innenseite vom Einband fehlerhaft zu sein. Dort steht zweimal Speisezimmer, der Salon, von dem aber auch häufig die Rede ist, ist allerdings nicht eingezeichnet. Das finde ich schon einen ziemlich ärgerlichen und peinlichen Fehler...