Krank oder gesund?
„Geht so“ von Beatriz Serrano, erschienen 2025 bei Bastei Lübbe, fängt extrem stark an und verliert sich nach hinten raus leider im Nirgendwo – und macht somit seine Entwicklung genau gegenläufig zur Protagonistin durch.
Aber von vorn, ich liebe das Cover. Ein so symbolisches Bild mit Strahlkraft, eigentlich muss gar nichts mehr gesagt werden, die Emotionen, um die sich das Buch dreht sind damit einfach perfekt gegriffen.
Die Protagonistin Marisa, Inhaberin eines Bullshit-Jobs in einer Madrider Werbeagentur ist irgendwann sehr schleichend falsch abgebogen in ihrem Leben. Nicht untypisch, eine Sache studieren, die einen immerhin noch so halbwegs interessiert, hinterher erstaunt feststellen, dass ein Studium noch kein Beruf ist (auch ein immer häufigeres Phänomen) und dann in der Generation Dauerpraktikum ankommen. Immerhin hat sie es aus den Praktika heraus geschafft, doch nun quält sie sich jeden Tag damit, dass ihre Arbeit komplett ums Leere kreist, die Sinnfrage steht fett im Raum. Von außen betrachtet wäre die Lösung ihres Problems ganz einfach: Weniger Austern, weniger Ansprüche an die monetäre Ausstattung ihres Lebens und stattdessen einen Job, der ihrem Dasein Sinn gibt. Doch Marisa hängt fest. Während die Männer um sie herum zwar stehengebliebene weiße Patriarchen (aber mit sich zufrieden) oder driftende Lebemänner ohne Fokus (aber mit sich zufrieden) sind.
Hier schreibt und beschreibt Serrano (ist das ein Künstlername? Wie kann die Handlung in Madrid spielen und die Autorin heißt wie der berühmte Schinken, haha, ich liebe es) einfach richtig gut. Dieses langsame Sterben von innen, jeder Tag eine Qual noch bevor er beginnt, nicht weil die Arbeit so schrecklich ist, sondern weil Arbeit überhaupt so schrecklich ist. Ich kann es sogar als Mensch mit sinnstiftender Arbeit sehr fühlen. Irgendwann fühlt sich die Mühle endlos an und die Fragen an dieses System nehmen. Wenn Arbeit immer abstrakter ist, so abstrakt, wie die absurde Jobbezeichnung, dann bleibt am Ende des Tages nie ein sichtbarer Erfolg. Wenn mensch dann noch herausfindet, dass diese Arbeit eigentlich auch in einer Stunde statt in acht getan werden kann, dann ist es kein Wunder, wenn der Verfall beginnt. Serrano beschreibt treffend den immer weiter gehenden Absturz, den zunehmenden Griff zu Psychopharmaka und Alkohol, Ersatzhandlungen, immer weiteres Tricksen, durch das Tricksen immer mehr Imposter-Syndrom, noch weniger Selbstwert und Fokus, es gibt kaum noch ein Entkommen. Ich mag, wie die Autorin viele feministische Themen einstreut, wie sie aber auch zeigt, dass selbst ein weibliches Arbeitsumfeld nicht zu Solidarität führt. Auch das Thema Mutterschaft in der Leistungsgesellschaft wird angerissen, das ich persönlich auch wirklich wichtig finde. Der Mensch, der immer mehr zur Ware wird. Und dann ist da noch die Sache mit Rita...
Bis ungefähr zur Mitte des Buches schreibt Serrano so fluffig und herzlich ironisch, dass ich schon sehr oft vor mich hin grinsen musste – und ich mag es, wenn ernste Themen einem etwas lockerer verkauft werden, und hier wurde ich bestens unterhalten. Zeitgleich denke ich aber, dass die Problematik auch sehr elitär ist, da sie vor allem auf Akademiker:innen, die keine wirklichen Produkte mehr herstellen, und deren Arbeit vollkommen abstrakt ist, zutreffen dürfte. Einmal mehr also eigentlich ein Wohlstandsproblem, das unsere kapitalistisch-patriarchale Leistungsgesellschaft künstlich erzeugt und das ja eigentlich leicht zu lösen wäre – wer braucht schon die Weihnachtskampagne für Lippenstift und Wimpernzange 3005. Kein Wunder also, dass Marisa an Bore-Out leidet. Da dieses Phänomen tatsächlich zunehmend verbreitet ist, es aber dennoch noch nicht viele Menschen kennen, ist das Buch vielleicht doch wichtig und richtig an seinem Platz.
Der zweite Buchteil zeigt sich leider deutlich schwächer als der erste, irgendwie fehlte mir zunehmend der Fokus und ich hatte mir von der Entwicklung und der Auflösung auch mehr erwartet. Die Autorin bedient sich an Klischees und verliert die Feinsinnigkeit, mit der sie im ersten Teil so wunderbar beobachtet und analysiert. Vieles wird nicht zuende gedacht und das Finale des Romans lässt mich relativ ratlos zurück, der Clou enthält für mich keine Lebensrealität – und gerade das war die Stärke der ersten Hälfte. Das Buch hat mich leider eher verloren. Ich habe das Gefühl, hier wusste die Autorin selbst nicht ganz, wo sie hin möchte.
Also sehr gemischte Gefühle, ich würde empfehlen, einfach selbst hineinzuschnuppern, denn das Grundthema ist wirklich wichtig: Wenn man an einem kranken System leidet, ist man dann krank oder gesund?
Aber von vorn, ich liebe das Cover. Ein so symbolisches Bild mit Strahlkraft, eigentlich muss gar nichts mehr gesagt werden, die Emotionen, um die sich das Buch dreht sind damit einfach perfekt gegriffen.
Die Protagonistin Marisa, Inhaberin eines Bullshit-Jobs in einer Madrider Werbeagentur ist irgendwann sehr schleichend falsch abgebogen in ihrem Leben. Nicht untypisch, eine Sache studieren, die einen immerhin noch so halbwegs interessiert, hinterher erstaunt feststellen, dass ein Studium noch kein Beruf ist (auch ein immer häufigeres Phänomen) und dann in der Generation Dauerpraktikum ankommen. Immerhin hat sie es aus den Praktika heraus geschafft, doch nun quält sie sich jeden Tag damit, dass ihre Arbeit komplett ums Leere kreist, die Sinnfrage steht fett im Raum. Von außen betrachtet wäre die Lösung ihres Problems ganz einfach: Weniger Austern, weniger Ansprüche an die monetäre Ausstattung ihres Lebens und stattdessen einen Job, der ihrem Dasein Sinn gibt. Doch Marisa hängt fest. Während die Männer um sie herum zwar stehengebliebene weiße Patriarchen (aber mit sich zufrieden) oder driftende Lebemänner ohne Fokus (aber mit sich zufrieden) sind.
Hier schreibt und beschreibt Serrano (ist das ein Künstlername? Wie kann die Handlung in Madrid spielen und die Autorin heißt wie der berühmte Schinken, haha, ich liebe es) einfach richtig gut. Dieses langsame Sterben von innen, jeder Tag eine Qual noch bevor er beginnt, nicht weil die Arbeit so schrecklich ist, sondern weil Arbeit überhaupt so schrecklich ist. Ich kann es sogar als Mensch mit sinnstiftender Arbeit sehr fühlen. Irgendwann fühlt sich die Mühle endlos an und die Fragen an dieses System nehmen. Wenn Arbeit immer abstrakter ist, so abstrakt, wie die absurde Jobbezeichnung, dann bleibt am Ende des Tages nie ein sichtbarer Erfolg. Wenn mensch dann noch herausfindet, dass diese Arbeit eigentlich auch in einer Stunde statt in acht getan werden kann, dann ist es kein Wunder, wenn der Verfall beginnt. Serrano beschreibt treffend den immer weiter gehenden Absturz, den zunehmenden Griff zu Psychopharmaka und Alkohol, Ersatzhandlungen, immer weiteres Tricksen, durch das Tricksen immer mehr Imposter-Syndrom, noch weniger Selbstwert und Fokus, es gibt kaum noch ein Entkommen. Ich mag, wie die Autorin viele feministische Themen einstreut, wie sie aber auch zeigt, dass selbst ein weibliches Arbeitsumfeld nicht zu Solidarität führt. Auch das Thema Mutterschaft in der Leistungsgesellschaft wird angerissen, das ich persönlich auch wirklich wichtig finde. Der Mensch, der immer mehr zur Ware wird. Und dann ist da noch die Sache mit Rita...
Bis ungefähr zur Mitte des Buches schreibt Serrano so fluffig und herzlich ironisch, dass ich schon sehr oft vor mich hin grinsen musste – und ich mag es, wenn ernste Themen einem etwas lockerer verkauft werden, und hier wurde ich bestens unterhalten. Zeitgleich denke ich aber, dass die Problematik auch sehr elitär ist, da sie vor allem auf Akademiker:innen, die keine wirklichen Produkte mehr herstellen, und deren Arbeit vollkommen abstrakt ist, zutreffen dürfte. Einmal mehr also eigentlich ein Wohlstandsproblem, das unsere kapitalistisch-patriarchale Leistungsgesellschaft künstlich erzeugt und das ja eigentlich leicht zu lösen wäre – wer braucht schon die Weihnachtskampagne für Lippenstift und Wimpernzange 3005. Kein Wunder also, dass Marisa an Bore-Out leidet. Da dieses Phänomen tatsächlich zunehmend verbreitet ist, es aber dennoch noch nicht viele Menschen kennen, ist das Buch vielleicht doch wichtig und richtig an seinem Platz.
Der zweite Buchteil zeigt sich leider deutlich schwächer als der erste, irgendwie fehlte mir zunehmend der Fokus und ich hatte mir von der Entwicklung und der Auflösung auch mehr erwartet. Die Autorin bedient sich an Klischees und verliert die Feinsinnigkeit, mit der sie im ersten Teil so wunderbar beobachtet und analysiert. Vieles wird nicht zuende gedacht und das Finale des Romans lässt mich relativ ratlos zurück, der Clou enthält für mich keine Lebensrealität – und gerade das war die Stärke der ersten Hälfte. Das Buch hat mich leider eher verloren. Ich habe das Gefühl, hier wusste die Autorin selbst nicht ganz, wo sie hin möchte.
Also sehr gemischte Gefühle, ich würde empfehlen, einfach selbst hineinzuschnuppern, denn das Grundthema ist wirklich wichtig: Wenn man an einem kranken System leidet, ist man dann krank oder gesund?