Aufeinanderprallende Welten

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
annenas Avatar

Von

„Geordnete Verhältnisse“ heißt der neue Roman von Lana Lux, der im Februar im Hanser Berlin Verlag erschienen ist. Nach ihrem Debütroman „Kukolka“ und ihrem zweiten Roman „Jägerin und Sammlerin“ hat sie nun einen weiteren Roman veröffentlicht, der unter die Haut geht und thematisiert, was sich nur wenige Autor:innen trauen.

„Es musste sich also dringend etwas ändern, und ich wartete auf eine passende Gelegenheit, um Faina zu meiner Freundin zu machen.“ (S. 39)

Faina ist die Neue in der Klasse. Sie musste ihre Heimat, die Ukraine, verlassen und soll nun in einer ihr fremden deutschen Kleinstadt Fuß fassen. Wie passend, dass Philipp aufgeschlossen ist und sich ohnehin nichts sehnlicher wünscht als einen besten Freund. Von nun an kümmert er sich um sie, bringt ihr Deutsch bei und zeigt ihr, wie sie sich in diesem Land zu verhalten hat, damit sie nicht aneckt. Er zähmt sie und macht sie zu seiner Faina, doch die Wege trennen sich.
Fast. Denn nach Jahren der Distanz steht Faina eines Tages wieder vor Philipps Tür und braucht seine Hilfe. Er lässt sie herein und macht da weiter, wo er vor Jahren aufgehört hat. Die Rechnung hat er allerdings ohne sie gemacht.

„Seine Gedanken kehren zu Faina zurück. Natürlich will er, dass es ihr gut geht. Aber die Wahrheit ist auch, dass er sie weniger mag, wenn sie so aufgedreht, so irrational, so egoistisch oder, wie sie es selbst nennt - glücklich ist.“ (S. 184)

In „Geordnete Verhältnisse“ ist alles an seinem Platz, kein Wort ist zu viel oder zu wenig. Ich bin nur so durch das Buch geflogen und wollte es gar nicht mehr zur Seite legen, denn Lana Lux hat es wieder einmal geschafft, sprachlich und inhaltlich zu überzeugen. Beide Charaktere sind fein gezeichnet, glänzen mit spannenden Charakterzügen und Eigenheiten und lassen so ein klares Bild vor dem inneren Auge entstehen. Philipp denkt antisemitisch, ist gönnerhaft, besessen, verlangt ständige Dankbarkeit und wünscht sich geordnete Verhältnisse. Faina ist jüdisch-ukrainischer Herkunft (wie Lana Lux), sucht ihren Platz, braucht Sicherheit und weigert sich, Eigentum eines Mannes zu werden. Hier prallen Welten aufeinander – Und genau diese Gegenüberstellung finde ich äußerst spannend und gelungen. Während Philipp das Narrativ der Mannosphäre verkörpert, in dem Frauenhass und Selbstmitleid im Mittelpunkt stehen, nimmt Faina die feministische und antipatriarchale Perspektive ein. Beide sind also in ihrer Weltsicht meilenweit voneinander entfernt und glauben dennoch, etwas in der anderen Person zu finden. Es gibt Türen, die besser verschlossen geblieben wären.

An dieser Stelle möchte ich auch gerne noch einmal auf das Sachbuch „Männer, die Frauen hassen“ von Laura Bates hinweisen, das im &Töchter Verlag erschienen ist und diesen Roman thematisch ergänzt.

Von mir gibt es eine große Leseempfehlung für „Geordnete Verhältnisse“. Lana Lux kann es einfach.

Vielen Dank an Hanser Berlin und Vorablesen für die Bereitstellung des kostenlosen Rezensionsexemplars 🧡