Beeindruckend und beklemmend

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simonef Avatar

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Als Philipp zehn Jahre alt ist und die dritte Klasse wiederholen muss, kommt Faina in seine Klasse. Er, der rothaarige Außenseiter aus schwierigen familiären Verhältnissen, und Faina, das jüdisch-ukrainische Einwandererkind, werden beste Freunde. Philipp hilft Faina, Deutsch zu lernen und sie befreit ihn aus seiner Einsamkeit. Als Erwachsene ziehen sie zusammen und sind mehr als Freunde, aber doch kein echtes Liebespaar. Nach einem Streit folgt eine mehrjährige Funkstille, bis eines Tages Faina Hilfe suchend vor seiner Tür steht.

Das Buch gliedert sich in drei Teile. Der erste wird aus Philipps Sicht erzählt, der zweite aus Fainas, und der dritte aus wechselnden Perspektiven. Ich liebe Romane, in denen sich bei Perspektivwechseln Wortwahl und Sprachstil an die jeweilige Figur anpassen, und Lana Lux ist es hervorragend gelungen, bereits anhand der Sprache die Wesenzüge, Gefühle und Denkstrukturen von Philipp und Faina herauszuarbeiten.

Beide Protagonisten sind auf ihre Weise durch ihre Kindheit traumatisiert, sind sich einerseits tief verbunden und auf andere Weise völlig gegensätzlich. Philipp, der planvolle, nach außen hin mustergültige Mann, wohlhabend, fürsorglich und großzügig, und Faina, die freiheitsliebende, unstrukturierte, mittelose schwangere Frau mit abgebrochenem Studium sind auf fatale Weise voneinander abhängig. Beim Lesen hatte ich von Anfang an ein beklemmendes Gefühl, das sich immer weiter steigerte, je weiter die Geschichte voranschritt.

Lana Lux zeigt in „Geordnete Verhältnisse“, wie schnell man in eine toxische Beziehung geraten kann und mit welchen manipulativen Mechanismen Schuldgefühle und Abhängigkeiten erzeugt werden. Aus unbedeutend wirkenden Anzeichen entwickelt sich so eine quälende Situation, aus der eine Befreiung nur schwer möglich ist.

Ein beeindruckend geschriebenes, aufwühlendes Buch zu einem wichtigen Thema und für mich ein Highlight in diesem Frühjahr.