Beklemmendes Thema, distanziert und zerrissen erzählt

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hapedah Avatar

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In seiner Kindheit wünscht sich Philipp sehnlichst einen besten Freund, denn in seiner Familie findet er weder Halt noch Zuneigung. Als Faina, die mit ihren Eltern aus der Ukraine geflüchtet ist, neu an seine Schule kommt, erfüllt sich dieser Wunsch und auch Jahre später ist sie die einzige Person, die Philipp mag und um sich haben möchte. Faina hingegen umgibt sich gern mit anderen Menschen, sie ist gesellig und lebenslustig. Nach einem Streit bricht der Kontakt zu Philipp über einen langen Zeitraum hin ab, bis Faina eines Tages mittellos und schwanger vor seiner Tür steht. Sie beschließen, das Kind gemeinsam groß zu ziehen, doch schon bald verlieren sie sich erneut in Streitigkeiten, die aus ihren komplett gegensätzlichen Lebensanschauungen entstehen.

"Geordnete Verhältnisse" von Lana Lux ist ein Buch, das stellenweise recht schmerzhalft zu lesen ist, beide Protagonisten stammen aus zerrütteten Familienverhältnissen, was ihre starke Bindung zueinander begründet. Für mich war es das erste Buch der Autorin und ich empfand ihren Schreibstil als durchaus fesselnd, dennoch habe ich im Nachhinein das Gefühl, die ganze Zeit lediglich an der Oberfläche der Geschichte dahin getrieben zu sein. Obwohl die Handlung abwechselnd aus der Perspektive beider Hauptfiguren dargestellt wird, konnte ich weder Philipp noch Faina emotional wirklich nahe kommen.

Immer wieder gab es unvermittelte Zeitsprünge, die mir nicht sofort aufgefallen sind, was mich beim Lesen ziemlich irritiert hat. Durch diesen Zeitraffer, der manche Szenen regelrecht unvollendet abbrach, blieb das Bild von Philipps und Fainas Leben in meinen Augen sehr unvollständig. Für Menschen, die selbst durch Gewalt traumatisiert sind, ist diese Erzählweise sicher leichter zu lesen, die Übergriffe wurden für die Leser nie "live" thematisiert, sondern eher anhand der Folgen dargestellt, z.B. als Fainas blaue Flecken im Gesicht beschrieben werden.

Damit verliert die Handlung meiner Meinung nach allerdings an Eindringlichkeit - natürlich war ich entsetzt, als Philipp auf Fainas Vorwurf (er sei gewalttätig) antwortet, dass sie sich wegen der paar Ohrfeigen nicht so anstellen soll, schließlich habe er als Kind von seiner Mutter deutlich Schlimmeres aushalten müssen. Dennoch fand ich, dass der Roman mit seiner häufig sehr distanzierten Betrachtung des Geschehens ungefähr so viel Emotion vermittelt, wie ein Zeitungsartikel, der lediglich die nüchternen Fakten zusammen fasst. Von mir gibt es daher trotz des wichtigen Themas keine Leseempfehlung.

Fazit: Die Autorin schildert eine toxische Beziehung praktisch vom Tag des Kennenlernens in der Kindheit, dabei hatte ich das Gefühl, in keine der Szenen wirklich eintauchen zu können. Den Schreibstil habe ich als sehr flüssig empfunden, die zerrissene Handlung vermochte es in meinen Augen allerdings nicht, die beklemmende Atmosphäre einzufangen.