Das brutale Chaos hinter der vordergründigen Ordnung

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frischelandluft Avatar

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Missbrauch, Gewalt, Kontrolle, Manipulation, psychischer Terror – so sieht die Beziehung der ProtagonistInnen wirklich aus, die Fassade zeigt eher eine nette Kleinfamilie. Es war beklemmend für mich, mitzuerleben, wie sich die „Freundschaft“ zwischen Philipp und Faina entwickelt und in eine abwärts führende Spirale eskaliert. Die Perspektive wechselt zwischen Philipp, Faina und einer übergeordneten Erzählerin. Es wird linear im Rückblick erzählt, beginnend mit ihrer ersten Begegnung als Kinder in der Schule. Es beginnt mit Philipps Erzählung, ein paar Dinge lassen mich beim Lesen stocken, ich werde misstrauisch, was seinen Charakter betrifft. Dann wechselt es zu Faina und wir lernen, einiges aus dem ersten Teil neu einzuordnen und zu interpretieren. Und so geht es weiter ohne dass dieselben Szenen aus verschiedenen Perspektiven erzählt werden. Das ist richtig gut geschrieben. Durch die Perspektivenwechsel hinterfragen und revidieren wir das bereits Gehörte und werden erzogen, hinter den Vorhang zu sehen, können das subjektiv Erzählte besser einordnen in die perfide Psychologie von Philipps Machtspielchen. Fainas immer wiederkehrende Entschuldigungen, Rechtfertigungen und Selbstlügen sind gut dargestellt und schnüren mir die Kehle zu. Es ist eine traurige Geschichte, die sich sehr realistisch und wahrhaftig liest. Mein Fazit (auch wenn der Roman nicht mit erhobenem Zeigefinger erzählt wird): Nicht wegschauen, wenn etwas merkwürdig erscheint, sowohl bei anderen als auch in eigenen Beziehungen!