Eine Mischung aus Bedauern und Mitleid

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jenvo82 Avatar

Von

"Ähnliche Situationen enstanden mit anderen Menschen, und irgendwann hielt ich mich bewusst fern von Leuten, die aus heilen Familien kamen. Sie waren mir suspekt."

Inhalt

Faina und Philipp verbindet eine Jugendfreundschaft, waren sie doch damals die beiden Außenseiter mit den zerrütteten Familien und dem schwierigen sozialen Hintergrund. Doch im Erwachsenenalter gehen sie zunächst getrennte Wege, denn Faina hat erkannt, das Philipp ihr nicht gut tut. Und während Philipp über all die Jahre aufmerksam verfolgt, was seine einzige "Seelenverwandte" so treibt, schlittert Faina durch ihr Leben. Als sie schließlich schwanger und verzweifelt vor Philipps Tür steht, wundert ihn das keineswegs, ganz im Gegenteil, nun scheinen alle Wege offen zu stehen, ein gemeinsames Leben zu beginnen ...

Meinung

Dieser erschreckend, dramatische Roman voller Verzweiflung, Angst und Unberechenbarkeit prägt sich dem Leser über lange Zeit ein, denn er behandelt nicht nur ein emotionales Thema, sondern trifft direkt ins Herz. Einfach und doch sehr geschickt ist der Aufbau: drei große Leseabschnitte, davon zwei aus der jeweiligen Innensicht der Protagonisten und erst im dritten Kapitel erstreckt sich die Handlung in ihrer Gesamtbreite. Die Sprache ist klar, leicht verständlich und kurz gehalten, dadurch entsteht per se schon ein guter, flüssiger Stil. Das eigentlich Faszinierende jedoch war für mich die Betrachtung der Hauptcharaktere durch eine so schockierenden Innenschau ihrer Gedanken. Dabei muss man wissen, es handelt sich hier um unsympathische, gestörte Persönlichkeiten, die weit weg von jeder Normalität denken und handeln. Die Sympathiewerte gingen für mich gegen Null und dennoch konnte ich die Lektüre nicht aus der Hand legen.

Es gibt hier kaum ein Problem, welches nicht angesprochen wird und jeder der beiden, versucht es sich über lange Zeit "schön zu reden". Egal ob es um Alkohol, Gewalt, Sex oder Familie geht, immer treffen hier Extreme aufeinander. Die ungute Atmosphäre ist hautnah greifbar und selbst als Außenstehender fühlt man sich peinlich berührt oder schockiert - vor allem aber ahnt man ein Schlimmes Ende, auch wenn dieses dann ganz abrupt kommt und noch krasser als erwartet ausfällt.

Fazit

Ich vergebe begeisterte 5 Lesesterne und eine unbedingte Leseempfehlung für alle, die an psychologischen Themen Gefallen finden, die sich jenseits der Norm bewegen. Allerdings sollte man nicht zu zart besaitet sein, denn dieser Roman ist ein Pulverfass, bei dem man nicht nur lesetechnisch gefesselt wird sondern auch emotional. Er punktet mit einer Vielfalt an Betrachtungsweisen, mit krassen Erfahrungswerten und schwindelerregendem Tempo - zwei Leben an der Grenze, zwei Menschen aneinander gekettet, die einerseits ihren Obsessionen und Gewaltausbrüchen ausgeliefert sind und andererseits erst langsam erkennen, auf welch fatales Ende es hinauslaufen wird.

Dies ist bereits mein drittes Buch der Autorin und alle haben mich tief beeindruckt - also unbedingt lesen und noch lange darüber nachdenken, wie schön es doch die meisten von uns haben ...