Eine tiefe Freundschaft oder doch etwas anderes?

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petris Avatar

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Philipp wiederholt gerade die 3. Klasse, er hat eigentlich nur einen Wunsch, endlich einen besten Freund. Er tut sich schwer mit anderen Kindern, dass er immer noch ab und zu in die Hose macht, erleichtert ihm den Umgang mit anderen nicht. Mit seinen roten Haaren fällt er zusätzlich auf. Als eines Tages Faina, ein ukrainisches Flüchtlingsmädchen in seiner Klasse landet, die ebenso rote Haare hat wie er, sieht er seine Chance gekommen. Nach und nach freundet er sich mit ihr an. Endlich hat er eine Freundin, eine beste Freundin.
Die Freundschaft begleitet sie ihr ganze Kindheit und Jugend, man hat den Eindruck, dass sich diese beiden durch ihre schwierigen Familienverhältnisse tragen. Philipps Mutter ist Alkoholikerin, zeitweise lebt er bei der Tante, die wenig verständnisvoll ist. Fainas Eltern sind ebenfalls wenig liebevoll, einzig Fainas Leistung zählt.
Doch dann kommt es zum Bruch. Faina geht nach Berlin, ihr ist Philipps obsessives Verhalten und seine Bevormundung zu viel. Bis sie nach ein paar Jahren wieder vor seiner Tür steht. Ungewollt schwanger, mit Schulden, von ihrer Familie einmal mehr im Stich gelassen.
Dieser Roman behandelt sehr viele Themen. Es geht um dysfunktionale Familien, um tiefe Freundschaft, um seelische Schäden, um toxische Liebe, um psychische Erkrankungen. Und wir tauchen immer weiter ein, in die Tiefen traumatisierter Menschen.
Spannend ist auch die Erzählweise. Während zuerst Philipp aus seiner Sicht erzählt, wir dann Fainas Sicht lesen, wechseln sich am Ende die beiden Erzählstimmen ab. Je mehr wir wissen, desto weniger kann man als Leser:in sicher sein, was die Wahrheit ist, wo die Probleme wirklich liegen. Vieles ahnt man, will man nicht wahrhaben, bevor es an die Oberfläche tritt. Und wie die Protagonistin entschuldigen wir so manches Verhalten. Das ist sehr gut gemacht und lässt erahnen, dass der Ausstieg aus toxischen Beziehungen, das Verarbeiten von schweren Kindheitstraumen