Ergebnis einer schwierigen Kindheit

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gabriele 60 Avatar

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Philipp, seit frühester Jugend Außenseiter, wurde schon in der Kindheit schnell wütend. Er hatte nie Freunde, bis Faina in seine Klasse kam und neben ihm platziert wurde. Sie, rothaarig wie er, war mit ihren Eltern aus der Ukraine gekommen und fand keinen anderen Anschluss. Ebenso wie er hatte sie es nicht leicht in ihrer disfunktionalen Familie, die verzweifelt viele Bräuche aus der alten Heimat aufrecht zu erhalten suchte. Die mehr oder weniger unbeabsichtigt begonnene Freundschaft zwischen Philipp und Faina wurde immer enger und hielt über Jahre.

„Ich war immer die Klügere, die Fleißigere, die Begabtere“, resümiert Faina als Erwachsene. Dankbar stellt sie fest, dass er sie noch nie im Stich gelassen hat. So steht sie nach einer längeren Trennung schwanger und mittellos vor seiner Tür. Für ihn kein Problem. Er hält zu ihr und hilft, so gut es ihm möglich ist.
Während in den ersten beiden Teilen des Buches Philipp und Faina nacheinander aus ihrer Sicht die Sachlage schildern, schaltet sich im dritten Teil, in dem es um das Zusammenleben der beiden geht, auch eine neutrale Erzählerin ein. Das ermöglichte mir als Leserin das Verhältnis der beiden zueinander mit Abstand zu betrachten und die Überforderung beider zu erkennen.
Am Ende habe ich das Buch schockiert zugeschlagen. Das Markenzeichen der Autorin sind toxische Beziehungen von Menschen, die eine schwierige Kindheit hatten. Sie schafft es, den Lesern und Leserinnen die Vergangenheit ihrer Protagonisten so nahe zu bringen, dass man unweigerlich Verständnis für sie aufbringt – auch wenn man nicht alle Verhaltensweisen gut findet. Sie lässt uns an deren Kämpfen teilhaben und mitleiden, wenn Träume zerplatzen. Ihr Schreibstil ist einfühlsam und es fällt ihr nicht schwer, nach und nach Spannung aufzubauen.

Lana Lux wurde 1986 in der Ukrainischen Sowjetunion geboren und kam als Zehnjährige nach Deutschland, wo sie die deutsche Sprache lernte, Abitur machte und studierte. Seit 2010 lebt die Schriftstellerin jüdischer Herkunft mit Ehemann und Tochter in Berlin. Geordnete Verhältnisse ihr dritter Roman.

Fazit: Ein lesenswertes Psychogramm, das ich kaum aus der Hand legen konnte und das mich tief beeindruckt zurückgelassen hat.