Ungesunde Beziehungen

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dajobama Avatar

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Geordnete Verhältnisse – Lana Lux
Faina kommt als Kind mit ihren Eltern aus der Ukraine nach Deutschland, spricht wenig Deutsch und ist froh, dass sich ein Klassenkamerad, Philipp, ihrer annimmt. Der freut sich ebenfalls, da er sich mit anderen Menschen sehr schwer tut und mit Faina nun endlich eine geduldige Zuhörerin gefunden hat. So beginnt eine lang währende on-off-Freundschaft, die von Anfang an auf unterschiedlicher Augenhöhe stattfindet.
Später wird diese kindliche Freundschaft zu einer sehr seltsamen Konstellation. Die beiden leben zusammen, allerdings ohne körperliche Intimität, wobei Philipp sich extrem besitzergreifend und kontrollierend verhält. Ohnehin ist Philipp ein bemerkenswert unsympathischer Protagonist. Sicher, er hatte keine einfache Kindheit. Nichtsdestotrotz sind seine Einstellung und Weltanschauung unter aller Kanone. Bereits nach wenigen Seiten war ich mir sicher: Der hat einen an der Klatsche. Er verkörpert das absolute männliche frauenfeindliche Arschloch. Ganz furchtbar. Sehr übel sind auch seine Gedanken. Denn tatsächlich bemüht er sich ja immer noch, nach außen nicht negativ aufzufallen. Möglicherweise hat die Autorin Lana Lux hier ab und an etwas dick aufgetragen, übertrieben.
Noch schlimmer wird die Sache, als klar wird, dass auch Faina Schaden aus ihrer eigenen Kindheit genommen hat. Sie ist psychisch labil und hält die Art und Weise wie Philipp mit ihr umgeht für normal. Auch sie ist keine Sympathieträgerin, glänzt sie doch in erster Linie mit diversen Exzessen.
Eben diese beiden versehrten Charaktere sind nun aus irgendeinem Grund überzeugt davon, zusammenzugehören. Es ist ein einziges Drama und die Katastrophe vorprogrammiert.
Lana Lux hat trotz, oder gerade wegen ihres sehr klaren und treffsicheren Schreibstils, eine äußerst eingängige, fesselnde Erzählweise. Es sind oft knappe Nebensätze, die dem Leser völlig neue Erkenntnisse offenbaren oder zu schockieren wissen. Mühelos gleitet der Leser in die Geschichte, leidet mit den Figuren. Wobei leiden hier vermutlich der falsche Ausdruck ist – es sind eher die Finger vor den Augen, durch die man beim Lesen ängstlich blinzelt. Gerade die leicht zugängliche Sprache schlägt umso härter ein.
Sehr stark kam für mich in diesem Roman die überwältigende lebenslange Beeinflussung der Kindheit und eigenen Erziehung heraus. Das ist nun etwas, was den meisten von uns bekannt vorkommen dürfte. Denn seine Herkunft kann man nicht verleugnen, die Kindheit prägt ein Leben lang. In dieser ergreifenden Geschichte erwächst aus zwei verletzten Kindern eine zutiefst toxische Beziehung. Das ist ein sehr tiefgehendes Thema, das mich hier sehr berührt hat.
Schockierend und aufrüttelnd. Ein krasser Roman - einfach toll erzählt – 5 Sterne!