Wenn aus Freundschaft Liebe wird?!- Geordnete Verhältnisse von Lana Lux

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herrfabel Avatar

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Die Autorin Lana Lux verbinde ich generell mit großen, schweren und intensiven Themen. Bereits ihr Debüt "Kukolka" hat mich sehr verstört und lange nicht mehr losgelassen und irgendwie erwartete ich nun auch bei "Geordnete Verhältnisse", ein Roman über eine toxische Beziehung, Wut und Obsession, etwas ähnlich krasses, schmerzhaftes und gewaltiges.

"Als ich am 3.März 1996 zehn Kerzen auf meiner halb gefrorenen Coppenrath & Wiese-Geburtstagstorte auspustete, wünschte ich mir einen besten Freund. Ich hatte diesen Wunsch schon das letzte und vorletzte Jahr gehabt. Ja im Grunde, seit ich denken kann." sind die ersten Zeilen dieses Romans, die mich binnen Sekunden in diese Geschichte hineinsogen und emotional packten. Philipp ist mit seinen roten Haaren und unzähligen Sommersprossen mehr oder minder einzigartig an der katholischen Grundschule; ein auffälliger, kleiner Außenseiter zwischen all den gläubigen, türkischen und arabischen, wie juguslawischen Flüchtlingskindern. "... rote Haare, Sommersprossen sind des Teufels Volksgenossen", wie Tante Martha es schon sagte. "Feuerwanze, Streichholz, Karotte, Pumuckl und sogar Pipi Langstrumpf" wären dann die weiteren gemeinen Spitznamen, die die anderen Kinder sich ausdachten, ihn damit aufzogen und sich damit noch zusätzlich zu seinem Problem mit dem Einnässen, das er nie so ganz los wird, lustig machten.
Und ja, es hätte schon an diesem Punkt ein sehr intensives Leseerlebnis werden können, schließlich gäbe es da noch die alkoholkranke Mutter, aber mit Faina soll sich nun alles zum Besseren wenden. Das zehnjährige, rothaarige Mädchen aus der Ukraine, taucht eines Tages in der Schule auf, wird erst Philipps Banknachbarin, später gar "Seelenverwandte", der er allesmögliche beibringen kann und die ihn auffängt, ihn im Laufe der Zeit mit all seinen Ecken und Kanten, Macken und Wutausbrüchen wirklich kennenlernt. Bis sich dann aus dieser Freundschaft eine Beziehung entwickelt, die weitreichende Folgen hat. Denn natürlich geht es nicht ohne weitere Streitigkeiten, nähere, wie entferntere Phasen, die mehr und mehr in dunkle Abgründe abrutschen, von Stalking begleitet werden und in einem steten Kampf um Eigenständigkeit, sowie finanzielle Selbständigkeit enden. Und gerade wenn man dann, wie Faina, keinen Bilderbuchlebensweg nachzuweisen hat und plötzlich verschuldet, obdachlos und schwanger ist... nun ja, mehr dann im Roman.

"Wer unsere Beziehung nicht kennt, könnte den Eindruck bekommen, ich würde sie stalken. Es ist aber kein Stalking, weil ihr nämlich sehr bewusst ist, dass ich mir ihr Profil ansehe. Faina ist nicht dumm. Falls sie nicht wollen würde, dass ich ihre Bilder und Statusmeldungen lese, hätte sie mich entfreundet oder blockiert. Hat sie aber nicht gemacht, sondern lediglich ihre ganzen Passwörter geändert. Und warum hat sie mich nicht blockiert? Richtig, damit sie mir ihre tollen Reisen, Partys, Freunde, ja ihr ganzes tolles Leben unter die Nase reiben kann. Siehst du, Philipp, wie gut es mir ohne dich geht?"

Ich bin ehrlich, so richtig euphorisch gepackt hat mich "Geordnete Verhältnisse" leider nicht. War der Anfang noch recht intensiv und traurig-schön, wie bewegend so wurde Philipps Werdegang und seine Ansichten mit der Zeit bzw. nach ca. 60 Seiten doch eher anstrengend und nervig. Der nächste Abschnitt und damit Fainas Erzählstimme, ließen mich zunächst wieder etwas aufatmen, aber irgendwie hatte mich dieses Buch bereits da verloren. An vielen Stellen habe ich tiefgründigere Auseinandersetzungen und Einblicke in die Gedankenwelt der beiden vermisst oder ich konnte einzelne Entscheidungen einfach nicht richtig greifen. Diese Abhängigkeit und Nähe zwischen Faina und Philipp, sind wie im echten Leben bei Betroffenen häuslicher, wie psychischer Gewalt und Druck nicht immer erklärlich und doch gab es im weiteren Verlauf eine gewisse Distanz zwischen mir und den beiden Protagonisten. Das Fortschreiten und die Entwicklung dieses Romans waren dann auch eher eine logische Konsequenz, die trotz aller Härte kaum etwas in mir auslöste, noch schockierte. Vielleicht liegt es daran, dass gerade in der letzten Zeit immer häufiger über toxische Beziehungen und Gewalt geschrieben, wie gesprochen wird, vielleicht habe ich auch einfach sehr intensive, andere Auseinandersetzungen mit diesem/über dieses Thema gelesen oder ich bin in diesem Punkt gerade etwas 'müde'. Jedenfalls irgendwo hat es gehakt... Das macht dieses Buch nun ganz gewiss nicht schlecht, um Gottes Willen, denn Lana Lux zeigt doch sehr eindrucksvoll die Entwicklung von Traumata, Schieflagen in der Kindheit und deren Folgen, wie Auswirkungen im späteren Leben bis hin zu Abhängigkeiten, Unterdrückung und Obsessionen, nur so eine nachdrückliche Leseempfehlung kann ich hier einfach nicht aussprechen.

"Er wusste, dass sie depressiv war. Sie sprach offen über ihre Selbstmordgedanken, über ihre Zweifel, eine gute Mutter sein zu können, und darüber, wie aus ihr so eine Versagerin hatte werden können. Jemand anderen hätte dieser Zustand vielleicht gestört oder gar geängstigt. Philipp konnte gut damit umgehen. Er hatte das Gefühl, wirklich gebraucht zu werden. Er mochte diese sanfte, häusliche Version von ihr."